Versäumnisurteil nach nicht über das beA eingereichter Verteidigungsanzeige
In der Anwaltschaft sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, dass zivilrechtliche Anwaltsschriftsätze seit dem 1.1.2022 nur noch elektronisch gemäß § 130d ZPO bei Gericht eingereicht werden dürfen. Eine gleichlautende Regelung findet sich auch in anderen Verfahrensordnungen, z.B. für das arbeitsgerichtliche Verfahren. Einzelne Anwälte ignorieren diese Vorgaben dennoch hartnäckig.
Verteidigungsanzeige rechtzeitig, aber per Fax versandt
In einem vom LG Frankfurt am Main entschiedenen Zivilrechtsstreit forderte der Kläger die Zahlung der restlichen Stammeinlage vom Beklagten. Auf einen entsprechenden Antrag in der Klageschrift gemäß § 331 Abs. 3 Satz 1 ZPO hatte der Vorsitzende der Kammer das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Der Rechtsanwalt des Beklagten versandte die hiernach erforderliche Verteidigungsanzeige Anfang Januar 2022 rechtzeitig sowohl per Telefax als auch auf dem Postweg an das Gericht.
Versäumnisurteil nach unwirksamer Verteidigungsanzeige
Hierauf erließ das Gericht ein Versäumnisurteil, mit dem es der Klage in vollem Umfang stattgab. Die Verteidigungsanzeige des Rechtsanwalts berücksichtigte das Gericht nicht, denn diese war nicht in der Form eines elektronischen Dokuments gemäß § 130d Satz 1 ZPO übermittelt worden.
Elektronische Form gilt auch für Verteidigungsanzeigen
Das LG stellte klar, dass vorbereitende Schriftsätze sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt an das Gericht übermittelt werden, gemäß § 130d Satz 1 ZPO grundsätzlich auf elektronischem Wege einzureichen sind. Die Vorschrift umfasse auch Verteidigungsanzeigen im schriftlichen Verfahren gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der nach § 130 d ZPO vorgegebene Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO sei seit dem 1.1.2022 der einzige für Rechtsanwälte zulässige Übermittlungsweg von prozessual erheblichen Schriftsätzen.
Ausnahme nur bei technischen Problemen
Eine Ausnahme besteht gemäß § 130d Satz 2 ZPO allein für den Fall, dass die Einreichung über das beA aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Das Vorliegen technischer Defekte sei in diesem Fall glaubhaft zu machen. Entsprechende Erklärungen über das Vorliegen eines technischen Defekts lägen seitens des Rechtsanwalts im konkreten Fall aber nicht vor.
Elektronische Übermittlung ist Zulässigkeitsfrage
Die Einreichung auf elektronischem Wege ist nach der Auslegung des LG von Amts wegen zu beachten und eine Frage der Zulässigkeit. Die Prozessparteien hätten nicht die Möglichkeit, auf die Vorgaben des § 130d ZPO verzichten. Der Gegner könne sich auch nicht rügelos einlassen. Ein ohne Beachtung dieser Vorschrift eingereichter Schriftsatz sei unbeachtlich, eine entsprechende Klage oder Berufung sei deshalb als unzulässig zurückzuweisen. Auch sonstige Prozesserklärungen seien unwirksam, Fristen könnten hierdurch nicht gewahrt werden. Allein diese klare Bewertung entspreche dem Willen des Gesetzgebers, Raum für eine andere Auslegung des Gesetzes bestehe nicht.
(LG Frankfurt, Urteil v. 19.1.2022, 2-13 O 60/21)
Hintergrund
Trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung haben einige Rechtsanwälte sich noch immer nicht an das Erfordernis der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an die Gerichte gewöhnt. Die entsprechenden Rechtsvorschriften enthalten auch durchaus technische Tücken.
Problem der nicht eingebetteten Schriften
Eine häufige Fehlerquelle bei der Nutzung des beA betrifft die Anhänge. Der gesamte vom Rechtsanwalt eingereichte Schriftsatz muss gemäß § 130a Abs. 2 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Dies beinhaltet das Erfordernis der sogenannten elektronischen „Einbettung“ von als Anlagen beigefügten Dokumenten. Nicht eingebettet ist beispielsweise eine PDF-Datei dann, wenn sie zu ihrer Darstellung Schriftarten (fonts) benötigt, die nicht in der Datei selbst enthalten sind, sondern über den Rechner gesondert gezogen werden müssen.
Regressfalle für Rechtsanwälte
Wegen nicht eingebetteter Schriften hatte beispielsweise das LAG Schleswig-Holstein die Klage eines Insolvenzverwalters abgewiesen. Den gesamten schriftlichen Vortrag des Klägers ließ das Gericht unberücksichtigt. Begründung: Die elektronisch eingereichten Dokumente seien gemäß dem in Schleswig-Holstein schon im Jahr 2021 in Kraft gesetzten § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen und damit nicht wirksam eingegangen. Die seit dem 1.1.2022 bundesweit vor den Zivilgerichten geltende, gleichlautende Regelung des § 130a Abs. 2 ZPO beinhaltet hier eine regelrechte Regressfalle, die Anwälte penibel beachten sollten.
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