Vorsicht beim beA mit nicht eingebetteten Schriften
In Schleswig-Holstein ist § 46g ArbGG bereits seit dem 1.1.2020 in Kraft. Hiernach sind Rechtsanwälte verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen und sonstige Erklärungen an die Arbeitsgerichte elektronisch zu übermitteln. Bundesweit tritt die Vorschrift spätestens zum 1.1.2022 in Kraft. Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Vorschrift bereits vorzeitig in Vollzug zu setzen. In der Gerichtspraxis ist die Umsetzung gelegentlich mit Problemen verbunden.
Insolvenzverwalter klagt vor dem Arbeitsgericht
Im konkreten Fall machte ein Insolvenzverwalter Ansprüche aus Insolvenzanfechtung gemäß § 143 InSO beim Arbeitsgericht gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Insolvenzschuldners geltend. Nach dem Scheitern des Gütetermins erließ das Arbeitsgericht einen Beschluss, wonach der Insolvenzverwalter seine Klage mit entsprechenden Beweisantritten abschließend bis zum 21.10.2020 zu begründen hatte.
Elektronischer Schriftsatz dreimal mit nicht eingebetteten Schriften
Der am Tag des Fristablaufs eingereichte Schriftsatz des Insolvenzverwalters enthielt nicht eingebettete Schriften. Nach einem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts reichte der Insolvenzverwalter den Schriftsatz nochmals elektronisch ein, allerdings wiederum mit nicht eingebetteten Schriften. Auf den wiederholten Hinweis des Gerichts versandte der Insolvenzverwalter den Schriftsatz anschließend per Fax und nochmals elektronisch mit erneut nicht eingebetteten Schriften.
Hinweis: Nicht eingebettet ist eine Schrift in eine pdf-Datei u.a. dann, wenn die pdf-Datei zu ihrer Darstellung Schriftarten (fonts) benötigt, die nicht in der Datei selbst enthalten sind, sondern über den Rechner gezogen werden müssen.
Schriftsatz nicht berücksichtigt, Klage abgewiesen
Das ArbG wies die Klage daraufhin durch Urteil ab. Den schriftlichen Vortrag des Klägers ließ das Gericht unberücksichtigt. Begründung des Arbeitsgerichts: Die elektronisch eingereichten Dokumente seien gemäß § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet gewesen und damit nicht wirksam eingegangen.
Berufung blieb erfolglos
Die seitens des Klägers eingelegte Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil hatte keinen Erfolg. Auch das LAG vertrat die Auffassung, der in den Schriftsätzen des Klägers enthaltene Sachvortrag gelte als nicht erfolgt. Gemäß § 46c Abs. 2 Satz 1 ArbGG müssten elektronisch eingereichte Dokumente für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Nicht eingebettete Schriften erfüllten diese Voraussetzung nicht.
Schriftsätze per Telefax sind unzulässig
Die per Telefax bzw. in Papierform eingereichten Schriftsätze waren nach dem Urteil des LAG ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da nach § 1 der Verordnung über die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 13.12.2019 in Schleswig-Holstein die Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs in der Arbeitsgerichtsbarkeit verpflichtend eingeführt worden sei. Von einem Rechtsanwalt per Telefax oder in Papierform eingereichte Dokumente dürften daher von einem Arbeitsgericht nicht berücksichtigt werden.
Hinweis: Eine Ausnahme besteht gemäß § 46g Satz 3 ArbGG in den Fällen, in denen die digitale Übermittlung aus technischen Gründen (technischer Defekt) nicht möglich ist. Dies muss mit Einreichung des Schriftsatzes glaubhaft gemacht werden.
Mehrfache Gelegenheit zur Heilung nicht genutzt
Zur Heilung der aufgetretenen Mängel hatte das ArbG dem Kläger mehrfach Gelegenheit gegeben. Eine Heilung wäre möglich gewesen, wenn
- der Kläger den Schriftsatz unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachgereicht und
- zudem glaubhaft gemacht hätte, dass das nachgereichte Dokument mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.
Die für eine Heilung erforderliche Nachreichung sei aber zu keinem Zeitpunkt in der erforderlichen Form erfolgt.
LAG hält ERVV für rechtswirksam
Nur kurz ging das LAG auf die Frage der Wirksamkeit der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) ein. Das LAG hielt diese - ebenso wie zuvor das ArbG - unter Berufung auf die Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil v. 12.3.2020, 6 AZM 1/20) für wirksam. Andere Gerichte (OLG Koblenz, Urteil v. 9.11.2020, 3 U 844/209 äußern zum Teil Zweifel an der Rechtswirksamkeit dieser Verordnung.
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 25.5.2021, 2 Sa 39/21).
Hintergrund
Reicht ein Rechtsanwalt ein Dokument bei Gericht elektronisch gemäß § 130 a ZPO ein und stellt sich heraus, dass dieses gemäß § 130a Abs. 2 ZPO nicht für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist, so ist vor den Zivilgerichten eine Heilung durch Einreichung in Papierform oder auch per Telefax (noch) möglich. Dies soll sich allerdings mit dem Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten zum 1.1.2022 ändern. Dann müssen Anwälte bundesweit auf diese mögliche Regressfalle achten.
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