Rn 65
Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs über das beA entsprechen denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH NJW 23, 425 Rz 14; 23, 2433 Rz 19; NJW-RR 22, 1069 [BGH 24.05.2022 - XI ZB 18/21] Rz 10; Räde AnwBl 22, 682). Auch hier ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (BGH NJW 23, 425 Rz 14). Deshalb muss der RA seinen Mitarbeitern vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss. Die pauschale Anweisung, das Vorliegen der Eingangsbestätigung gem § 130a V 2 zu kontrollieren, reicht hierfür nicht (BGH NJW 23, 3432 [BGH 06.09.2023 - IV ZB 4/23] Rz 17). Für eine ordnungsgemäße Überprüfung der automatisierten Eingangsbestätigung gem § 130a V 2 dahingehend, ob die richtige Datei übermittelt wurde, muss in einer Organisationsanweisung sichergestellt sein, dass ein in der Kanzlei zuvor vergebener sinnvoller Dateiname vorhanden ist, der in der Eingangsbestätigung erscheint und ohne Weiteres die Prüfung erlaubt, ob der richtige Schriftsatz übersandt wurde (BGH NJW 23, 1668 [BGH 21.03.2023 - VIII ZB 80/22] Rz 25 ff; Beck NJW 23, 1537, 1538 f). Der Dateiname ›Berufungsschriftsatz.pdf‹ reicht dafür nicht aus (BGH NJW 23, 3434 [BGH 31.08.2023 - VIa ZB 24/22] Rz 13). Der RA hat zudem zumindest stichprobenweise Überprüfungen durchzuführen, ob die Organisationsanweisungen eingehalten werden (BGH MDR 21, 896 f [BGH 11.05.2021 - VIII ZB 9/20]).
Rn 65a
Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a V 2 erteilt wurde. Die Kontrolle des Signaturvorgangs (§ 130a III 1) reicht allein für eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle nicht aus (BGH NJW-RR 22, 1069 [BGH 24.05.2022 - XI ZB 18/21] Rz 13). Die Kontrollpflichten erfassen vielmehr auch die Überprüfung der nach § 130a V 2 übermittelten automatisierten Bestätigung, ob die Rechtsmittelschrift an das richtige Gericht übermittelt worden ist (BGH NJW 23, 1737 [BGH 30.03.2023 - III ZB 13/22] Rz 12; MDR 23, 184 Rz 10). Eine die Fristversäumung ursächliche fehlerhafte oder irreführende Eintragung im Gesamtverzeichnis der beA-Postfächer kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen (BGH 31.8.23 – III ZB 72/22, juris Rz 10). Es ist nicht ausreichend, die angezeigte Eingangsbestätigung daraufhin zu kontrollieren, ob als Meldetext ›request executed‹ und als Übermittlungsstatus ›erfolgreich‹ angezeigt wird. Vielmehr ist anhand des zuvor vergebenen Dateinamens auch zu prüfen, ob sich diese Meldung auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (BGH MDR 22, 1361 Rz 10). Hat der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf erneuten Übermittlung veranlassen (BGH MDR 21, 896 f [BGH 11.05.2021 - VIII ZB 9/20]). Erhält ein Rechtsanwalt für den Versand eines fristwahrenden Schriftstücks über das beA keine Eingangsbestätigung des Gerichts, muss er den Sendevorgang genau prüfen und es erneut versuchen. Erst mit der Bestätigung kann der Anwalt sicher sein, dass der Sendevorgang erfolgreich war (BGH MDR 21, 1481 [BGH 29.09.2021 - VII ZR 94/21]). Scheitert eine rechtzeitige Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per beA, weil der Prozessbevollmächtigte 23:46 Uhr versucht, diese gemeinsam mit einer Prozessvollmacht in das System hochzuladen, das sodann 23:50 Uhr eine Fehlermeldung wegen eines unzulässigen Dateinamens der Prozessvollmacht auswirft, ist der Prozessbevollmächtigte seinen Sorgfaltspflichten nicht hinreichend nachgekommen (Frankf NJW 22, 250). Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle bei der Versendung eines fristwahrenden Schriftsatzes über beA gehört neben der Überprüfung eines ordnungsgemäßen Versands auch die Sicherstellung, dass der richtige Schriftsatz versendet wird (Frankf NJW 22, 250 [BGH 04.11.2021 - I ZB 54/20]; 5.10.21 – 6 U 79/21, juris). Der RA hat einen ausreichend großen zeitlichen Sicherheitszuschlag bis zum Fristablauf sicherzustellen (vgl VG Gelsenkirchen 7.12.21– 18 K 3240/20, juris Rz 45 ff).
Rn 66
Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines RA, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen (BGH MDR 22, 585 Rz 11). In der eigenen Verantwortung des RA liegt es, das Dokument gem den gesetzlichen Anforderungen entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen oder die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg persönlich vorzunehmen, damit die Echtheit und die Integrität des Dokuments wie bei einer persönli...