Rn 9
Rechtsnachfolger ist derjenige, der bei Tod der Partei deren Rechtsstellung erlangt, dh grds derjenige, der Inhaber der streitbefangenen Rechtsposition wird (BGH NJW 12, 3642 [BGH 29.08.2012 - XII ZR 154/09]; Anders/Gehle/Becker ZPO § 239 Rz 11; MüKoZPO/Stackmann § 239 Rz 25; vgl a. § 239 Rn 4 – Übergang der Prozessführungsbefugnis nach § 265 II). Das ist grds der Erbe bzw die Erbengemeinschaft (vgl §§ 1922, 2032 BGB), und zwar unabhängig davon, ob das den Streitgegenstand bildende Recht vererblich ist, da das Erlöschen des Anspruchs nicht zur Beendigung des Prozesses führt (BGH NJW-RR 22, 1284 [BGH 18.07.2022 - V ZB 22/21] Rz 6; vgl auch Rn 2, 11). Beim ungeteilten Nachlass können alle Erben gemeinsam oder auch nur ein einzelner Miterbe aufnehmen, sofern dieser gem § 2039 BGB berechtigt ist zur Geltendmachung des Klageanspruchs (BGH NJW-RR 12, 8 [BGH 02.11.2011 - X ZR 94/11]) oder – im Passivprozess – als Gesamtschuldner haftet (vgl §§ 2058, 1967 ff BGB). Wird beim Tod des Klägers der Beklagte dessen Miterbe, behält er seine prozessuale Stellung (BGH NJW 14, 1886 [BGH 27.02.2014 - III ZB 99/13]). Bei Vollbeendigung einer Personengesellschaft während eines finanzgerichtlichen Verfahrens sind die durch den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid beschwerten Gesellschafter als prozessuale Rechtsnachfolger anzusehen (BFH/NV 14, 170 [BFH 17.10.2013 - IV R 25/10] = BeckRS 13, 96574). Besteht eine Testamentsvollstreckung, kann im Aktivprozess nicht der Erbe, sondern nur der Testamentsvollstrecker den Prozess aufnehmen (§ 2212 BGB); anders stellt sich die Lage bei einem Passivprozess dar (§ 2213 BGB).
Rn 10
Im Falle der Sonderrechtsnachfolge gilt § 239 für den Sonderrechtsnachfolger – zB bei Erbfolge nach der Höfeordnung, bei einer Nachfolgeklausel einer Personengesellschaft, für den überlebenden Ehegatten bei allgemeiner Gütergemeinschaft, wenn das Gesamtgut betroffen ist, für den Nacherben im Prozess des Vorerben (s.a. § 242), für den Bezugsberechtigten bei der Lebensversicherung (MüKoZPO/Stackmann § 239 Rz 32). Manche höchstpersönliche Rechte – zB Recht am eigenen Bild – gehen entweder überhaupt nicht oder nicht immer auf den Erben, sondern möglicherweise auf den nicht erbberechtigten Ehegatten bzw auf bestimmte Angehörige über und diese gelten dann als Rechtsnachfolger für diese Rechtsposition (MüKoZPO/Stackmann § 239 Rz 34). Entsprechendes gilt für den Zessionar einer für den Fall des Todes abgetretenen Forderung (MüKoZPO/Stackmann § 239 Rz 32).
Rn 11
Nicht Rechtsnachfolger sind Personen, die bei Tod des Rechtsinhabers nur einen schuldrechtlichen Anspruch erlangen – zB der Vermächtnisnehmer iSd § 2174 BGB (BFH/NV 11, 1722 [BFH 15.06.2011 - XI R 10/11] = BeckRS 11, 96067) – oder die nicht kraft Gesetzes aufgrund des Todes des Rechtsinhabers Berechtigte werden – zB der Erbschaftskäufer oder der Pfändungsgläubiger (MüKoZPO/Stackmann § 239 Rz 33; Anders/Gehle/Becker ZPO § 239 Rz 13). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der betreffende Anspruch oder das Recht auf den Rechtsnachfolger übergegangen oder bei Tod des ursprünglichen Rechtsinhabers erloschen ist. Das Erlöschen eines Rechts mit dem Tod steht der Unterbrechung nach § 239 aber nicht entgegen; das Erlöschen des Anspruchs führt nicht zur Beendigung des Prozesses, der in der Hauptsache erledigt ist, aber bei dem noch über die Kosten entschieden werden muss; der Rechtsnachfolger kann den Prozess aufnehmen, den Rechtstreit für erledigt erklären, eine Entscheidung über die Kosten oder auch eine Entscheidung über mögliche Ersatzansprüche in Änderung des ursprünglichen Antrages nach § 264 Nr 3 beantragen (BGH BeckRS 22, 21086 Rz 6 = NJW-RR 22, 1284 [BGH 18.07.2022 - V ZB 22/21]; vgl auch Rn 2).
Rn 11a
Zu den Rechten, die mit dem Tod erlöschen, gehört der Nießbrauch, der gem § 1061 S 1 BGB mit dem Tod des Nießbrauchers erlischt; gleichwohl tritt eine Unterbrechung nach § 239 ein und der Rechtsnachfolger kann wegen der genannten Maßnahmen das Verfahren aufnehmen (BGH NJW 16, 1953 [BGH 18.12.2015 - V ZR 269/14]). Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sind nach Ansicht des BGH grds ebenfalls nicht vererblich, auch wenn wegen dieser Ansprüche ein Rechtsstreit zz des Todes anhängig ist (BGH NJW 22, 868 [BGH 29.11.2021 - VI ZR 258/18] Rz 10 mwN und mAnm Roth NJW-Spezial 22, 71). Eine Kündigungsschutzklage oder Befristungskontrollklage kann im Falle des Todes des Arbeitnehmers durch die Erben fortgesetzt werden, wenn es darum geht, die Fiktion des § 17 S 2 TzBfG bzw. § 7, 1. Hs KSchG zu beseitigen und eine zB auf Annahmeverzug gerichtete Leistungsklage vorzubereiten (BGH NZA 12, 575 [BAG 18.01.2012 - 7 AZR 112/08]), auch wenn hier ein höchstpersönlicher Anspruch betroffen ist (vgl § 240 Rn 6).