Gesetzestext
(1) Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts, Ansprüche des Erben gegen einen Erbschaftsbesitzer, Ansprüche aus Vermächtnissen oder sonstigen Verfügungen von Todes wegen, Pflichtteilsansprüche oder die Teilung der Erbschaft zum Gegenstand haben, können vor dem Gericht erhoben werden, bei dem der Erblasser zur Zeit seines Todes den allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat.
(2) Ist der Erblasser ein Deutscher und hatte er zur Zeit seines Todes im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand, so können die im Absatz 1 bezeichneten Klagen vor dem Gericht erhoben werden, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte; wenn er einen solchen Wohnsitz nicht hatte, so gilt die Vorschrift des § 15 Absatz 1 Satz 2 entsprechend.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
§ 27 I regelt einen besonderen Gerichtsstand, § 27 II einen Hilfsgerichtsstand. § 27 soll es ermöglichen, alle Prozesse über einen Erbfall bei einem sachnahen Gericht zusammenzufassen (vgl Naumbg ZEV 06, 33) und die ohnehin oft mit praktischen Schwierigkeiten verbundene Rechtsverfolgung im Nachlassfall durch Bereitstellung eines leicht feststellbaren Gerichtsstands zu erleichtern (St/J/Roth § 27 Rz 1). Die Vorschrift erfasst alle Ansprüche aus den in der Norm aufgezählten Rechtsverhältnissen unabhängig von deren Inhalt (BeckOKZPO/Toussaint § 27 Rz 3). § 27 II soll ferner die international-privatrechtliche Vorschrift des Art 25 EGBGB effektuieren (MüKoZPO/Patzina § 27 Rz 1). Die Vorschrift hat mit dem Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung (ErbVO) und des IntErbRVG am 17.8.15 an Bedeutung verloren, da diese im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die internationale Zuständigkeit erschöpfend regelt (St/J/Roth § 27 Rz 4; näher Wagner/Fenner, FamRZ 15, 1668). Die ErbVO gilt in allen EU-Mitgliedstaaten außer Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland. Sie erfasst die streitige und die freiwillige Gerichtsbarkeit. Art 4 ff ErbVO treffen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in bürgerlichen Streitigkeiten, teilweise auch zur örtlichen Zuständigkeit. Art 4 ErbVO stellt auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab. § 2 IntErbRVG regelt umfassend die örtliche Zuständigkeit (Wagner/Fenner, FamRZ 15, 1668, s § 2 V IntErbRVG). § 27 hat für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nur noch insoweit Bedeutung als nicht Art 4 ErbVO einschlägig ist (Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO § 27 Rz 2). Gem Art 83 ErbVO richtet sich der zeitliche Geltungsbereich danach, ob der Erbfall ab 17.8.15 eingetreten ist.
Rn 2
§ 27 regelt – auch nicht im Zusammenspiel mit § 28 – keinen allg Gerichtsstand der Erbschaft, sondern eröffnet einen Gerichtsstand nur für bestimmte Prozesse über einen Erbfall. Dies kann aber mit dem Anliegen des Gesetzgebers, alle Prozesse über einen Erbfall bei einem sachnahen Gericht zusammenzufassen, kollidieren, weswegen die Vorschrift – entgegen der allg Grundsätze über die Auslegung von Zuständigkeitsnormen – weit und analogiefreundlich auszulegen ist (wohl auch Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO § 27 Rz 3).
B. § 27 I.
I. Klagen, welche die Feststellung des Erbrechts zum Gegenstand haben.
Rn 3
§ 27 ZPO schafft einen – nicht ausschließlichen – Wahlgerichtsstand für die in § 27 I abschließend aufgeführten Streitigkeiten (Bremen Beschl v 8.9.21 – 5 AR 3/21, Rz 6 – juris mwN). Der Hauptanwendungsfall dieses Merkmals sind positive oder negative Feststellungsklagen zwischen Erbprätendenten zur Klärung der Erbfolge, also der Frage, wer kraft gesetzlichen Erbrechts oder Verfügung von Todes wegen (ggf zu welcher Quote) im Hinblick auf einen Erbfall als Gesamtrechtsnachfolger in das Vermögen eines Verstorbenen eingetreten oder nicht eingetreten ist (Jena OLGR 01, 268). Da dem Erbschaftskauf ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zu Grunde liegt, ist die klageweise Verfolgung etwaiger Ansprüche des Erbschaftskäufers ggü dem Erbschafsverkäufer (zB aus § 2374 BGB) ebenso wenig ein Fall des § 27 wie Rechtsstreitigkeiten, die das unter Lebenden (= Ehevertrag) vereinbarte Fortsetzungsrecht gem §§ 1483 ff BGB bei fortgesetzter Gütergemeinschaft betreffen (vgl statt vieler: MüKoZPO/Patzina § 27 Rz 5). Partei einer Feststellungsklage, die unter § 27 fällt, kann auch der Testamentsvollstrecker (Karlsr ZEV 05, 256) oder der Nachlasspfleger (BGH NJW 51, 559 [BGH 10.05.1951 - IV ZR 12/50]) sein, wobei die Prozessführungsbefugnis etwa des Vollstreckers als Partei kraft Amtes davon abhängt, ob der Prozess von seinen Verwaltungsaufgaben erfasst wird (Karlsr ZEV 05, 256 [OLG Karlsruhe 06.08.2004 - 14 U 205/02]). Ferner werden Feststellungsklagen des Nacherben, die sein (angebliches) Erbrecht betreffen, von § 27 erfasst (vgl statt Vieler: Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO § 27 Rz 5). Streiten die Parteien dagegen über die Nachlasszugehörigkeit einer Sache, so trägt eine diesbezügliche Feststellungsklage, so sie denn überhaupt zulässig ist, nichts zur Klärung der Erbfolge bei (Jena OLGR 01, 268) und fällt daher nicht unter § 27. Woraus eine Partei ihr str Erbrecht ableitet, ist für die Anwendung des § 27 unerheblich. Es werden daher auch diejenigen Feststellungsklageverfahren v...