Gesetzestext
(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.
(2) 1Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. 2Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. 3Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. 4§ 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
(3) 1Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. 2§ 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
(6) 1Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. 2Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. 3§ 164 gilt entsprechend.
A. Normzweck.
Rn 1
Als vorzugswürdige Alternative zu einer Gerichtsentscheidung (BVerfG NJW-RR 2007, 1073) verpflichtet die Vorschrift das Gericht zur gütlichen Streitbeilegung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung, der Kostensenkung sowie der Verwirklichung des Rechtsfriedens. Deshalb darf das Gericht eine vorbereitete Entscheidung nicht (mehr) verkünden, wenn die Parteien unmittelbar vor dem Termin eine außergerichtliche Einigung bekannt geben (BGH MDR 20, 282). Der Streitgegenstand muss jedoch der Dispositionsbefugnis der Beteiligten unterliegen (Köln FamRZ 18, 1015).
B. TB-Voraussetzungen.
I. Sühneversuch (Abs 1).
Rn 2
In jeder Lage des Verfahrens, aber nicht vorgeschrieben in den Rechtsmittelinstanzen (§§ 525 S 2, 555 I 2). Das Gericht kann, ohne sich dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen, sogar in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit den Parteien telefonisch in Verbindung setzen und Hinweise erteilen in dem Bestreben, eine gütliche Einigung herbeizuführen (Bremen NJW-RR 13, 573 [OLG Bremen 19.11.2012 - 1 U 35/12]). Beantragen die Parteien einvernehmlich die Verlegung eines Verkündungstermins, weil sie ernsthafte Vergleichsgespräche führen wollen, darf das Gericht keine Endentscheidung verkünden, sondern muss den Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben, gem § 251 das Ruhen des Verfahrens zu beantragen (BGH MDR 20, 282 [BGH 13.12.2019 - V ZR 152/18]).
II. Güteverhandlung (Abs 2).
1. Bedeutung.
Rn 3
Auch wenn sie der mündlichen Verhandlung vorausgehen muss, hat es keine Folgen, wenn sie vom Gericht unterlassen wird. Das Gericht kann einen Vergleich schon vor der mündlichen Verhandlung vorschlagen und darin bisher nicht geltend gemachte Ansprüche einbeziehen (KG MDR 99, 1018 [KG Berlin 11.06.1999 - 28 W 3063/99]). Auf die Vorläufigkeit der im Vergleichsgespräch geäußerten Rechtsansicht braucht das Gericht nicht laufend hinzuweisen (KG MDR 99, 253).
2. Ausnahme.
Rn 4
Die Güteverhandlung entfällt, wenn ein vorheriger Einigungsversuch vor einer Gütestelle (§ 15a I EGZPO) gescheitert ist oder wenn sie aussichtslos erscheint.
3. Ablauf (Abs 2 S 2).
Rn 5
Der Sach- und Streitstand ist mit den Parteien zu erörtern. Bei unklarem Sachverhalt verletzt das Gericht die ihm obliegende richterliche Aufklärungspflicht, wenn es die Parteien nicht persönlich und detailliert zu dem vorgetragenen Geschehensablauf anhört (Bremen OLGR 07, 384). Andererseits muss der Richter bei der Darlegung des Streitstands darauf achten, dass er sich nicht festlegt und keine Ablehnungsgründe schafft (zB Hinweis auf Verjährung, BGH NJW 04, 164 [BGH 02.10.2003 - V ZB 22/03]).
4. Verweisung an Güterichter (Abs 5 S 1).
Rn 6
Der in jeder Phase des Streitverfahrens einsetzbare Güterichter unterscheidet sich von der richterlichen Streitschlichtung, die vor Eintritt in die mündliche Verhandlung erfolgen soll (Abs 2) und der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (§ 278a). Die Verweisung liegt im nicht anfechtbaren gerichtlichen Ermessen der Prozessleitung und bedarf daher keiner Parteizustimmung (SächsOVG ZKM 14, 135; HessLSG ZKM 14, 134; aA OVG Lüneburg JurBüro 15, 208).
a) Güterichter.
Rn 7
Er ist ein für Güteversuche bestimmter und nicht entscheidungsbefugter Richter, der auch an einem anderen Gericht, sogar an einer anderen Gerichtsbarkeit (BTDrs 17/8058 S 21) tätig sein kann. Entscheidend ist lediglich die Eigenschaft als Güterichter, dessen Aufgaben im Geschäft...