Gesetzestext
In dem Gerichtsstand der Erbschaft können auch Klagen wegen anderer Nachlassverbindlichkeiten erhoben werden, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des Gerichts befindet oder die vorhandenen mehreren Erben noch als Gesamtschuldner haften.
A. Normzweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
§ 28 erweitert speziell für die Fallgruppe der Klagen zur Verfolgung von Nachlassverbindlichkeiten den Gerichtsstand des § 27. Dieser Gerichtsstand wird den Nachlassgläubigern allerdings nur zeitlich begrenzt eröffnet, nämlich solange sich bei Alleinerben noch Nachlassgegenstände im Gerichtsbezirk befinden oder bei einer Erbengemeinschaft die Miterben dem Kl hinsichtlich der geltend gemachten Nachlassverbindlichkeit gesamtschuldnerisch haften. Dies erhellt, dass die Eröffnung des erweiterten Gerichtsstandes dem Gläubigerschutz dient: Die Nachlassgläubiger sollen – sofern sie den Anspruch hinreichend zeitnah zum Erbfall geltend machen und der Nachlass noch nicht versilbert oder unter Ausschluss der Gesamthaftung verteilt wurde – einen leicht ermittelbaren Gerichtsstand haben, der im Falle der Erbengemeinschaft überdies die Geltendmachung ggü allen Miterben iRe Klage ermöglicht.
B. Tatbestandsmerkmale.
I. Andere Nachlassverbindlichkeiten.
Rn 2
§ 28 deckt sämtliche Nachlassverbindlichkeiten ab, die nicht bereits unter § 27 fallen. Der Begriff der Nachlassverbindlichkeiten ist in § 1967 II BGB legaldefiniert und erfasst die bereits in der Person des Erblassers begründeten Schulden (›Erblasserschulden‹) sowie die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten. Letztere unterteilen sich in Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall oder infolge des Erbfalls entstehen (›Erbfallschulden‹) und solche die erst nach dem Erbfall im Zuge der Nachlassabwicklung oder der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses entstehen (›Nachlasserbenschulden‹) (Olzen Jura 01, 520, 521). Typische Erblasserschulden, die nicht unter § 27 fallen, sind zB Ansprüche von medizinischen Leistungserbringern aus Behandlungsverträgen (BayObLG NJW-RR 06, 15), Ansprüche aus unerlaubter Handlung, aus Darlehensverträgen (Hamm Beschl 16.1.18 – I-32 SA 57/17, Rz 8 – juris; BayObLG Beschl v 21.9.99 – 1Z AR 120/98, FamRZ 99, 1175) oder Geschäftsbesorgungsverträgen (BayObLG FamRZ 99, 1175, 1176). Von § 28 erfasste Erblasserschulden können auch Ansprüche eines Lebenspartners sein, die mit dem Tod des anderen Partners wegen aus dem Tod resultierender Zweckverfehlung an diesen erbrachten Leistungen entstehen (Naumbg MDR 14, 410). Auch ein gg die Erben gerichteter Anspruch auf Zugewinnausgleich gem § 1371 II BGB als Erblasserschuld iSd § 1967 II BGB gg mehrere gesamtschuldnerisch haftende Miterben eröffnet den erweiterten Gerichtsstand gem § 28 (Celle Beschl v 23.3.21 – 17 AR 3/21, Rz 13 – juris = NJW-RR 21, 588 [OLG Celle 22.03.2021 - 17 AR 3/21]). § 28 greift hinsichtlich der Erblasserschulden auch dann, wenn der Gläubiger der Erblasserschuld (zB als Darlehensgeber) Miterbe ist und die übrigen Miterben in Anspruch nimmt (BayObLG, FamRZ 99, 1175, 1176). Erbfallschulden, die nicht bereits von § 27 erfasst werden, sind etwa Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) (Karlsr OLGR 03, 347), Kosten für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen (§ 348 FamFG, § 24 Nr 1 GNotKG; Olzen Jura 01, 520, 521) oder der Anspruch der Mutter eines werdenden Erben gem § 1963 BGB, der kein gesetzliches Vermächtnis, sondern einen Unterhaltsanspruch darstellt (jurisPK/Hönninger § 1963 BGB Rz 2). Zu den Nachlasserbenschulden gehören auch (vermeintliche) Ausgleichsansprüche der Miterben untereinander wegen Leistungen, die einzelne Miterben in Befolgung von Mehrheitsbeschlüssen der Erbengemeinschaft zur Verwaltung oder Abwicklung des Nachlasses erbracht haben (Schlesw MDR 07, 1200, 1201). Gleiches gilt für Rückgriffs- oder Ausgleichsansprüche der Miterben untereinander, die aus der Befriedigung von Pflichtteilsberechtigten durch einzelne von ihnen entstanden sind (Naumbg ZEV 06, 33). Keine Nachlassverbindlichkeiten iSd § 28 sind bspw Ansprüche des Erbschaftskäufers gegen den Veräußerer (§§ 2375 ff BGB). Schließlich fallen unter § 28 Klagen des Nachlassgläubigers gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 2213 III BGB (München ZEV 12, 215 ff).
II. Klage gegen den Alleinerben – Belegenheit des ganzen oder teilweisen Nachlasses im Bezirk des Gerichts.
Rn 3
Ist eine Klage wegen anderer Nachlassverbindlichkeiten iSd § 28 gegen einen Alleinerben gerichtet, so ist für das Eingreifen des § 28 ausschlaggebend, dass sich bei Klageerhebung (= Rechtshängigkeit, § 261 II) noch mindestens ein Vermögensgegenstand im Gerichtsbezirk befindet, der weder entfernt worden, noch durch Veräußerung aus dem Nachlassvermögen ausgeschieden ist (MüKoZPO/Patzina § 28 Rz 3). Sofern zum Nachlassvermögen auch Forderungen gehören, befürwortet die wohl hA eine analoge Anwendung des § 23 S 2, so dass die Forderungsbelegenheit am Schuldnerwohnsitz oder bei Forderungen, für die eine dingliche Sicherheit an einer Sache (zB Grundpfandrecht) bestellt ist, auch am Belegenheitsort dieser Sache, fingiert würde (MüKoZPO/Patzina § 28 Rz 3; St/J/Roth § 28 Rz 4; Zö/Schultzky § 28 Rz 3). Dem ist mangels Bezugnah...