Rn 22
Eine Zurückweisung scheidet aus, wenn es möglich ist, dass für die Verzögerung des Rechtsstreits ein Fehler des Gerichts mitursächlich ist (Köln NJW 80, 2421, 2422 [OLG Köln 23.05.1979 - 2 W 65/79]), insb wenn der Richter die Verzögerung durch seine pflichtwidrige Verfahrensleitung mit verursacht hat (vgl Rn 2; s EGMR NJW-RR 09, 141). Das Gericht muss eine Verspätung durch zumutbare vorbereitende Maßnahmen ausgleichen (Rn 25): Das BVerfG prüft über eine bloße Willkürkontrolle ua hinaus, ob (a) die Rechtsanwendung offenkundig unrichtig ist (BVerfG NJW 00, 945, 946), ob (b) ein richterliches Fehlverhalten, namentlich eine unzulängliche Verfahrensleitung (vgl §§ 273, 358a; s.a. BVerfG NJW 90, 2373, 2374 [BVerfG 21.02.1990 - 1 BvR 1117/89]; 00, 945, 946 [BVerfG 26.10.1999 - 2 BvR 1292/96]) oder (c) eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht (vgl § 139 und dazu hier Rn 23; zur Pflicht zum rechtzeitigen Hinweis Celle NJW-RR 98, 499, 500 [OLG Celle 23.06.1997 - 13 W 55/97]) die Verzögerung mit verursacht hat, ob (d) Vortrag missbräuchlich zurückgewiesen wird, obwohl das Gericht den Termin erkennbar unzureichend vorbereitet hat (zusammenfassend BVerfG NJW 87, 2733, 2734), oder ob (e) die Anwendung der Präklusionsvorschriften aus anderen Gründen rechtsmissbräuchlich ist (BVerfG NJW 87, 2733, 2735). § 296 ist verfassungsgemäß, da eine solche Ausgestaltung des Verfahrens gewährleistet, dass der Beteiligte ausreichend Gelegenheit hatte, sich zu allen für ihn wichtigen Punkten zur Sache zu äußern und nicht bewirkt, dass er mit Angriffs- oder Verteidigungsmitteln ausgeschlossen wäre, obwohl er ohne eigenes Verschulden (Rn 30) an einem rechtzeitigen Vorbringen gehindert gewesen war (so [zu § 531 II Nr 3] BVerfG NJW 05, 1768, 1769 [BVerfG 24.01.2005 - 1 BvR 2653/03]).
Rn 23
Nach §§ 139, 278 III muss das Gericht die Parteien gezielt und konkret (BGH 18.4.13 – I ZR 66/12 Rz 33) auf fehlenden Sachvortrag, den es als entscheidungserheblich ansieht, unmissverständlich hinweisen (BGH 21.3.13 – VII ZR 58/12 Rz 12), insb wenn das Gericht Anlass zu der Annahme hat, dass ein Beteiligter die Rechtslage falsch einschätzt und ihm deshalb ein Rechtsnachteil droht (BGH 10.10.13 – V ZB 181/12 Rz 11). Das Gericht hat ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, ihren Vortrag sachdienlich zu ergänzen, gerade wenn die Erforderlichkeit ergänzenden Vortrags sich nicht bereits aus einem substanziierten Bestreiten der Gegenstände ergibt, sondern von der Bewertung des Gerichts im Einzelfall abhängt, wie zB bzgl der Anforderungen an die Darlegung eines bestimmten Anspruchs. Allgemeine und pauschale Hinweise reichen dazu nicht (BGH 20.3.19 – VII ZR 182/18, NJW-RR 19, 726 Rz 20). Das gilt selbst im Anwaltsprozess jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage erkennbar falsch beurteilt (BGH NJW 02, 3317, 3320 [BGH 25.06.2002 - X ZR 83/00]; 08, 2036 Rz 10). Die durch den Hinweis nach § 139 II 1 veranlassten neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen nicht zurückgewiesen werden (BGH 1.10.14 – VII ZR 28/13 Rz 11). Zeigt sich später, dass eine Partei den erteilten Hinweis falsch aufgenommen hat, muss das Gericht diesen präzisieren und der Partei erneut Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen (BGH NJW 08, 2036 Rz 10, 21); ansonsten muss ein klarer Hinweis aber nicht wiederholt werden, auch wenn eine Partei in der Sache anderer Ansicht ist (BGH 16.7.15 – IX ZR 197/14 Rz 51). Den Hinweis hat das Gericht gem § 139 IV 1 so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen, dass die Partei ihre Prozessführung darauf einrichten, schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag ergänzen und die danach erforderlichen Beweise antreten kann. Erteilt es den Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben: Kann die Partei nicht in der mündlichen Verhandlung ohne Weiteres umfassend und abschließend Stellung nehmen, soll das Gericht auf Antrag der Partei Schriftsatznachlass gewähren (§ 139 V). Ist offensichtlich, dass die Partei sich nicht abschließend erklären kann, muss das Gericht – wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht – sogar ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGH 4.7.13 – VII ZR 192/11 Rz 7): § 139 V soll der Partei eine Option eröffnen, aber nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verkürzen (BGH 27.9.13 – V ZR 43/12 Rz 15). Reicht ansonsten eine Partei einen nicht nachgelassenen Schriftsatz ein, muss das Gericht das darin enthaltene neue Vorbringen berücksichtigen und – wenn es sich als entscheidungserheblich darstellt – die mündliche Verhandlung nach § 156 II Nr 1 wiedereröffnen, wenn die Partei auf den erst in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis nicht in der angemessenen Weise reagiert, dass sie nach § 139 V eine Schriftsatzfrist beantragt, weil ihr eine sofortige Erklärung zu dem gerichtlichen Hinweis nicht möglich ist (BGH 4.7.13 – V ...