Rn 33
Im Rahmen des Zumutbaren (Rn 24) hat das Gericht auch verspätet vorgetragene, einfache und deutlich abgegrenzte Streitpunkte zu klären, wenn sich dies zB durch die Vernehmung telefonisch greifbarer Zeugen iRd mündlichen Verhandlung ohne unzumutbaren zeitlichen Aufwand bewerkstelligen lässt (BVerfG NJW 90, 2373 [BVerfG 21.02.1990 - 1 BvR 1117/89]: ggf Vernehmung 6 statt 1 Zeugen; s.a. BGH NJW 02, 290, 291). Die zusätzliche Vernehmung stellt für sich keinen unzumutbaren Zeitaufwand dar. Zu ihr ist das Gericht insb verpflichtet, wenn Zeugen präsent gestellt (BGH NJW 16, 3304 Rz 25) oder die Beweisantritte schon vor Anberaumung eines langfristig bestimmten Verhandlungstermins angekündigt waren (BGH NJW 91, 2759, 2760 [BGH 21.03.1991 - III ZR 118/89]). Ansonsten gelten Schranken (BGH NJW 99, 3272, 3273 [BGH 18.05.1999 - X ZR 105/96]: Vernehmung 8 weiterer Zeugen ist nicht zumutbar). Zudem kann die Vernehmung verspätet benannter, präsenter Zeugen zurückgewiesen werden, wenn diese im Termin zwar vernommen werden könnten, die Vernehmung aber ggf bei einer der benennenden Partei günstigen Aussage weitere, den Prozess verzögernde Beweiserhebungen (zB die Vernehmung nicht präsenter Gegenzeugen) erforderlich machen würde (BGH NJW 16, 3304 [BGH 19.07.2016 - X ZR 123/15] Rz 25): Es kommt darauf an, ob sich der Rechtsstreit als ursächliche Folge des verspäteten Vorbringens verzögerte (BGH NJW 82, 1535, 1536 [BGH 26.03.1982 - V ZR 149/81]). Benennt eine Partei einen Zeugen entgegen der ihr gem § 282 I und II obliegenden Prozessförderungspflicht zu spät, kann die Zulassung wegen ansonsten eintretender Verzögerung nicht nach § 296 II verweigert werden, wenn der Zeuge noch ordnungsgemäß geladen wird, aber nicht zum Termin erscheint. Die Verzögerung durch einen weiteren Termin zur Zeugenvernehmung ist dann nicht dem Verhalten der beantragenden Partei zuzurechnen (BGH NJW 87, 1949, 1950 [BGH 13.01.1987 - VI ZR 280/85]). Geht aber wegen verspäteten Beweisantritts die Ladung dem Zeugen nicht zu und erscheint er auch nicht freiwillig im Termin, steht einer Zurückweisung nicht entgegen, dass der Zeuge sich der Partei ggü zum Erscheinen bereit erklärt hatte und ggf auch bei rechtzeitiger Ladung ausgeblieben wäre (BGH NJW 89, 719 [BGH 19.10.1988 - VIII ZR 298/87]).
Rn 34
Grds muss die Partei keine Beweise ermitteln (Rn 31; s.a. Stuttg 7.12.10 – 10 U 140/09: es sei nachlässig iSv § 531 II 1 Nr. 3, wenige Mitarbeiter, die als Zeuge in Frage kommen, nicht zu befragen). Schuldhaft ist es, hält eine Partei ein vorhandenes Beweismittel zu einem zentralen Punkt des Rechtsstreits bewusst zurück, um abzuwarten, zu welchem Ergebnis die Erhebung der bisher angebotenen Beweise führt (KG NZV 09, 596; 597: je zur Berufung). Das gilt auch, wenn die Partei nicht damit rechnete, dass das Gericht einem bereits benannten Zeugen nicht glaubt (BGH VersR 07, 373). Die nicht beweisbelastete Partei darf auch nicht mit ihren Beweisanträgen zuwarten, bis klar ist, ob die beweisbelastete Partei den Beweis geführt hat. Das gilt auch, wenn es sich bei dem später angebotenen Gegenbeweismittel um einen schon von der beweisbelasteten Partei benannten Zeugen handelt (Ddorf TranspR 07, 23). Kein Verschulden liegt aber vor, gibt erst das Ergebnis einer Beweisaufnahme überhaupt Anlass zur Benennung eines Zeugen (BGH 25.1.12 – IV ZR 230/11).
Rn 35
Versäumt die beantragende Partei, innerhalb der nach § 379 S 1 gesetzten Frist Auslagenvorschuss einzuzahlen, wird der Zeuge nicht geladen (§ 379 S 2), ohne dass es einer Androhung dieser Folge bedürfte (§ 231 I; BGH NJW 98, 761 f [BGH 27.11.1997 - III ZR 246/96]). Das Gericht versucht, in anderer Weise auf Grund des bereits vorhandenen oder anzuregenden Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel die Beweisfrage zu klären (BGH NJW 07, 2122, 2123 [BGH 20.03.2007 - VI ZR 254/05]). Die Partei kann den Zeugen im Termin stellen (Rn 33, § 379 Rn 9). Sie kann aber mit dem Beweismittel gem § 356 ausgeschlossen sein, wenn die Voraussetzungen des § 296 II vorliegen (vgl BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16] Rz 13; Rostock NJW-RR 15, 718 [OLG Rostock 29.09.2014 - 7 U 27/11] Rz 22), dh wenn insb sie grob nachlässig handelte (Rn 46; BVerfG NJW-RR 04, 1150 [BVerfG 08.04.2004 - 2 BvR 743/03]) und die Erhebung des Beweises das Verfahren verzögerte (Rn 45 mit Rn 14, 24). Unterlässt das Gericht die Vernehmung eines Zeugen (nur) wegen Nichteinzahlung des Vorschusses, so liegt darin keine Zurückweisung iSd §§ 296, 531 I (BGH NJW 17, 2288 [BGH 31.05.2017 - VIII ZR 69/16] Rz 14).
Rn 36
Die Vernehmung eines (ggf schuldhaft) zunächst ohne ladungsfähige Anschrift, iÜ aber konkret und rechtzeitig benannten Zeugens darf nur unter den Voraussetzungen des § 356 abgelehnt werden. Die individualisierende Benennung eines Zeugen ist auch ohne Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift ein den Anforderungen des § 373 genügender beachtlicher Beweisantritt. Die Ablehnung kann nicht stattdessen wegen verspäteten Nachreichens der ladungsfähigen Ansc...