Prof. Dr. Christoph Thole
Rn 12
Gegenrechte: Die Gefahr der Widersprüchlichkeit besteht, wenn der Beklagte Gegenrechte und Einwendungen geltend macht, die sich gegen den gesamten streitgegenständlichen Anspruch richten oder gar darüber hinaus gehen, so bei Aufrechnung (BGHZ 139, 117 f; BGH NJW 00, 958, 960; BGHZ 173, 328, 333 Rz 18), auch bei Verknüpfung mehrerer selbstständiger Forderungen durch die Hilfsaufrechnung (Kobl OLGR 09, 802 = BeckRS 09, 29676; anders LG Flensburg 1.4.22 – 2 O 305/17) und beim Minderungsrecht (Hamm NJW-RR 89, 827, 828) oder der Verjährungseinrede. Zum Leistungsverweigerungsrecht oben Rn 8. Keine Unabhängigkeit liegt auch bei objektiver Häufung inhaltlich zusammenhängender Anträge vor (Vollstreckungsgegenklage wegen Kaufpreisrest, Minderungsanspruch wegen des Restes, Anweisung an Notar, Vollzugsantrag zu stellen, so BGH NJW 04, 1662, 1665 [BGH 28.11.2003 - V ZR 123/03]; vgl auch BGH NJW 01, 78, 79 [BGH 13.10.2000 - V ZR 356/99]).
Rn 13
Haftungsprozess: Keine Unabhängigkeit besteht, wenn eine Haftungsquote einheitlich beurteilt werden muss (BGH NJW 01, 760 [BGH 05.12.2000 - VI ZR 275/99]), bei Geltendmachung von Minderung und Schadensersatz etwa im Reiseprozess wegen der Anrechnungsfragen (hier fehlt ggf schon die Entscheidungsreife). Kein Teilurteil ist möglich bei Klagen gegen Fahrer und Versicherer (Hamm BeckRS 19, 15840), bei abgrenzbaren Anträgen auf Leistung und Feststellung aus demselben Schadensvorgang und bei einheitlichem Lebenssachverhalt (BGH NJW 03, 2380, 2381 [BGH 30.04.2003 - V ZR 100/02]), etwa zur Arzt- und Krankenhaushaftung (BGH NJW 04, 1452 [BGH 25.11.2003 - VI ZR 8/03]), Verkehrsunfall oä (bei mehreren Verursachern Dresd BeckRS 19, 12944), Architektenhaftung (Kobl NJW-RR 11, 1002 Ls = MDR 11, 944 [OLG Koblenz 06.01.2011 - 2 U 772/10]), soweit kein Mindestschaden zuerkannt werden kann, zu dieser Möglichkeit Rn 17. Bei einer Klage auf Feststellung von Versicherungsschutz besteht keine Unabhängigkeit, wenn ein Ausschluss des Versicherungsschutzes (zB wegen Vorsatz) auch auf den zu erledigenden Teil durchschlagen kann (Schlesw VersR 84, 1164, 1165). Eine materiell-rechtliche Verzahnung selbstständiger prozessualer Ansprüche kann bei subjektiver Klagenhäufung Abhängigkeit begründen (Ansprüche aus Amtshaftung gegen den Beamten und den Dienstherrn, BGH NJW 99, 1035 [BGH 12.01.1999 - VI ZR 77/98], dazu schon Rn 5). Ein Teilurteil über Teile des geltend gemachten Schadensersatzes wegen Baumängeln ist unzulässig, wenn über den Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten noch nicht entschieden ist (Frankf NJW-RR 09, 955 [BGH 12.02.2009 - VII ZR 230/07]).
Rn 14
Familien- und Erbrecht: Stufenklagen im Pflichtteilsrecht und generell werden grds durch Teilurteile erledigt (BGH NJW 06, 217); kein Teilurteil aber, wenn die Erbberechtigung des vermeintlichen Erben fraglich ist (vgl BGH NJW 06, 217 [BGH 08.11.2005 - XI ZR 90/05] mN), dh bei fehlender Aktiv- oder Passivlegitimation ist Klageabweisung in toto durch Endurteil iSd § 300 geboten. Im Unterhaltsprozess mit Klage auf Auskunft, Rechnungslegung und Zahlung gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl Nürnbg FamRZ 94, 1594). Beim Zugewinnausgleich verneint die Rspr tw schon die Teilbarkeit, da es sich um einen saldierten Ausgleichsanspruch handelt (Naumbg FamRZ 09, 393; Köln FamRZ 89, 296; Hamm FamRZ 03, 1393; idS Brandbg FamRZ 05, 1920, 1921). Es ist unzulässig, wenn mit der Entscheidung über den bezifferten Zahlungsanspruch nur teilweise über den insgesamt rechtshängigen Anspruch auf Zugewinnausgleich befunden wird (zuletzt Celle 7.8.12, 10 UF 59/12, BeckRS 12, 17456 mwN; vgl auch Celle FamRZ 11, 1968 LS), tatsächlich besteht also idR (nur) die Gefahr des Widerspruchs wegen späterer Änderungen der Berechnung des Anfangs- und Endvermögens (BGHZ 107, 236, 243; BGH FamRZ 02, 1097, 1098 für Klagenhäufung von Zugewinnausgleich und Ausgleichanspruch nach § 40 FGB); das Teilurteil ist daher unter Voraussetzungen des Abs 1 S 2 (Rn 17) zulässig (Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 32). Bei einer Klage auf Unterhalt ist das Teilurteil nur zulässig, wenn der Berechtigungszeitraum zeitlich eingegrenzt und nicht von derselben Tatsachen- oder Rechtsfrage abhängig ist (BGH NJW 99, 1718, 1719 [BGH 24.02.1999 - XII ZR 155/97]; Nürnbg MDR 03, 219, 220 [OLG Nürnberg 25.11.2002 - 10 UF 2470/02]); daher ist ein Teilurteil unzulässig, wenn das Einkommen einer Partei sowohl für das Teilurteil als auch für den rechtshängig bleibenden anderen Unterhaltszeitraum von Bedeutung ist (Saarbr NJW 11, 538). Ein Teilurteil ist unzulässig bei gegenläufigen Abänderungsklagen und bei unklarer Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, wenn mehrere Kl Ansprüche gleichrangig geltend machen (Zweibr FamRZ 01, 115, LS; zum familienrechtlichen Umgangsverfahren Frankf BeckRS 22, 24434).