Prof. Dr. Christoph Thole
I. Zeitpunkt und Inhalt (Abs 2).
Rn 5
Ausfertigungen werden nach Abs 2 S 1 nur auf Antrag an das jeweilige Gericht und nur in Papierform erteilt. Gemäß Abs 2 S 2 dürfen Ausfertigungen, Auszüge oder Abschriften vor Verkündung und Unterschrift sämtlicher (§ 309) Richter nicht erfolgen, da das Urt zu diesem Zeitpunkt das Entwurfsstadium noch nicht verlassen hat. Gleiches gilt für eine gem § 310 III erforderliche Zustellung. Die verfrühte Erteilung einer Ausfertigung ist unzulässig; ebenso ist die verfrühte Zustellung des Urteils unwirksam. Der Mangel wird durch die nachfolgende Verkündung nicht geheilt (BGH NJW-RR 93, 956); fehlender Verkündungsvermerk schadet aber nicht. Ausfertigungen, die auf Parteiantrag erteilt werden, werden ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe ausgestellt (Abs 2 S 3); die übrigen Urteilstatbestandteile sind jedoch unverzichtbar. Anders ist es, wenn die Partei gesondert eine vollständige Ausfertigung des (ihr vAw bereits zugestellten) vollständigen Urteils beantragt. Das ist aber nicht durch Annahme eines stillschweigenden Antrags zum Regelfall zu machen (in diese Richtung aber Anders/Gehle/Hunke ZPO Rz 9a).
II. Herstellung und Unterschrift (Abs 3–4).
Rn 6
Die Erteilung der Ausfertigung erfolgt durch die Geschäftsstelle des erkennenden Gerichts (§ 168), kann aber auch durch eine andere Geschäftsstelle erfolgen, wenn dort die Urschrift des Urteils vorliegt (BAG AP Nr 1). Die Ausfertigung ist von dem UdG zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Für die Unterschrift gelten die gleichen Anforderungen wie bei der Unterschrift des Richters (§ 315 Rn 4; zum FGO-Verfahren BFH/NV 06, 1317), mit der Maßgabe, dass der Name des UdG für einen Außenstehenden nicht erkennbar sein muss (vgl Frankf OLGR 98, 333; möglicherweise strenger BGH NJW 13, 3451 Rz 6, 8); es muss aber deutlich werden, dass die Ausfertigung von einem UdG unterzeichnet wurde (BGH VersR 71, 470; NJW 75, 781). Das Gesetz stellt für den Ausfertigungsvermerk keine über die Mindestanforderungen des Abs 4 (Unterschrift, Gerichtssiegel) hinausgehenden Erfordernisse auf (BGH NJW 07, 3640, 3641 f Rz 21). Die Erklärung des Urkundsbeamten, dass die in der Ausfertigung wiedergegebenen Teile der Entscheidung gleichlautend mit denen der Urschrift sind, braucht nicht wörtlich im Ausfertigungsvermerk enthalten zu sein. Es genügt, dass die Abschrift durch die Unterschrift des UdG, das Gerichtssiegel oder den Dienststempel und Worte wie: ›Ausfertigung‹ oder ›ausgefertigt‹ erkennen lässt, dass es sich um eine Ausfertigung iSd Gesetzes handeln soll (BGH NJOZ 18, 1584, 1585). Der Ausfertigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle braucht keine Datumsangabe zu enthalten (BGH VersR 85, 503; NJW 07, 3640, 3641 f [BGH 30.05.2007 - XII ZB 82/06] Rz 21). Verfügt der Vermerk umgekehrt über einen Datumsvermerk, aus dem sich ergibt, dass er vor Verkündung angebracht wurden, dann ist eine mit dieser Ausfertigung bewirkte Zustellung unwirksam (BGH NJW-RR 93, 956). Auch die fehlerhafte oder fehlende Unterzeichnung eines Vollstreckungsbescheids durch den UdG macht die Zustellung unwirksam und setzt keine Einspruchsfrist in Gang (Frankf OLGR 98, 333).
Für die Übertragung eines Urteils, das in elektronischer Form erstellt ist, in eine Papierform, gilt Abs 3. Der UdG hat gem Abs 4 den Ausdruck zu unterzeichnen und das Siegel anzubringen.
1. Besondere Formen der Ausfertigung.
Rn 7
Der bisherige Abs 5 erweiterte die Möglichkeiten der Erteilung einer Ausfertigung, indem die Vorschrift die Erteilung mittels elektronischen Dokuments oder Telekopie (Fax) zuließ, soweit das Urt in Papierform vorliegt. Da Abs 2 S 1 nunmehr für die Ausfertigung stets Papierform verlangt, zugleich aber nach Abs 1 die auch elektronisch zu erteilende einfache Abschrift ohnehin der gesetzliche Regelfall geworden ist, konnte Abs 5 aF mit Wirkung zum 1.7.14 gestrichen werden.
2. Abgekürzte Urteile (Abs 5).
Rn 8
Bei abgekürzten Urteilen ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe iSd § 313b erfolgt die Ausfertigung wie unter Abs 2–4 mit einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift (oder Mahnbescheid, § 697 V) oder durch Vervollständigung des Urteils mit dem vollen Urteilskopf, Tag der mündlichen Verhandlung und Unterschriften. Die Vervollständigung darf nicht zu Abweichungen von der Klageschrift führen. Im ersten Fall reicht es aus, die beglaubigte Abschrift auf ein mit der Klageschrift zu verbindendes Blatt zu setzen (wie § 313b II 1). Die Abschrift der Klageschrift kann von dem RA des Klägers beglaubigt und überreicht worden sein; sonst muss sie von dem UdG selbst hergestellt und beglaubigt werden.