Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
(1) 1Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts müssen verkündet werden. 2Die Vorschriften der §§ 309, 310 Abs. 1 und des § 311 Abs. 4 sind auf Beschlüsse des Gerichts, die Vorschriften des § 312 und des § 317 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 auf Beschlüsse des Gerichts und auf Verfügungen des Vorsitzenden sowie eines beauftragten oder ersuchten Richters entsprechend anzuwenden.
(2) 1Nicht verkündete Beschlüsse des Gerichts und nicht verkündete Verfügungen des Vorsitzenden oder eines beauftragten oder ersuchten Richters sind den Parteien formlos mitzuteilen. 2Enthält die Entscheidung eine Terminsbestimmung oder setzt sie eine Frist in Lauf, so ist sie zuzustellen.
(3) Entscheidungen, die einen Vollstreckungstitel bilden oder die der sofortigen Beschwerde oder der Erinnerung nach § 573 Abs. 1 unterliegen, sind zuzustellen.
A. Normzweck und Regelungsgehalt.
Rn 1
Die Vorschrift ordnet an, welche Form und zT auch welchen Inhalt die Gerichte bei der Abfassung und Verkündung von Beschlüssen und Verfügungen zu beachten haben. Sie dient daher der Rechtssicherheit (Anders/Gehle/Becker ZPO § 329 Rz 2). In § 329 I 1 wird zunächst bestimmt, dass Beschlüsse, die aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, zu verkünden sind. Nachfolgend ist aufgelistet, welche der Urteilsvorschriften, die die Verkündung und die Zustellung betreffen, auch auf Beschlüsse und Verfügungen Anwendung finden. Die Aufzählung der in § 329 I 2 genannten Regelungen ist jedoch nicht abschließend und damit wenig hilfreich. Auch andere, nicht genannte Vorschriften sind auf Verfügungen und Beschlüsse entsprechend anwendbar. Dies muss sich allerdings aus der konkret in Frage kommenden Norm ergeben. Nach § 329 II sind nicht verkündete Beschlüsse und Verfügungen formlos durch das Gericht mitzuteilen. Lediglich Entscheidungen, die Termine bestimmen oder Fristen in Lauf setzen, bedürfen der Zustellung. Erforderlich ist jedoch, dass es sich um eine sog echte Frist handelt. (BGH NJW 77, 717 [BGH 01.12.1976 - IV ZB 43/76]). Fristen für eine mögliche Ergänzung eines unanfechtbaren Beschlusses, einer Wiedereinsetzung oder einer Anhörungsrüge sind zwar echte Fristen iSd § 329 II 2, sie werden jedoch durch die Entscheidung nicht – wie richterliche Fristen oder Rechtsmittelfristen – in Lauf gesetzt. Diese Fristen beginnen daher mit der formlosen Mitteilung des Beschl (BGH NJW-RR 19, 509 [BGH 18.12.2018 - II ZB 21/16] Rz 17). Eine Pflicht zur Zustellung kann sich aber aus speziellen Vorschriften ergeben (zB: § 922 Abs 2, § 994 Abs 2). Das Zustellungserfordernis gilt gem § 329 III entsprechend für Vollstreckungstitel oder Entscheidungen, die mit der Erinnerung nach § 573 oder der sofortigen Beschwerde angreifbar sind. Eine nach § 329 III erforderliche Zustellung muss unabhängig davon erfolgen, ob es sich um einen verkündeten oder einen nicht verkündeten Beschl handelt (BGH NJW-RR 09, 1427, 1428 [BGH 19.02.2009 - V ZB 54/08] mwN). Seit der Reform des Beschwerderechts durch da ZPO-RG 1998 hat § 329 III nur noch eingeschränkte Bedeutung, da sich für die mit der sofortigen Beschwerde angreifbaren Entscheidungen das Erfordernis einer amtswegigen Zustellung bereits aus §§ 567, 569 I ergibt (Zö/Feskorn § 329 Rz 31).
B. Beschlüsse.
I. Begriff.
Rn 2
In der Entscheidungsform des Beschl ergehen bedeutendere prozessleitende Anordnungen. In einigen Fällen können aber auch verfahrensbeendende Entscheidungen durch Beschl getroffen werden (Zö/Feskorn § 329 Rz 2). Dieser erledigt jedoch nicht den Prozessstoff in der Hauptsache. Beispielhaft sind hier neben der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 119) bzw deren Versagung (§ 127 II) die Kostenentscheidung nach Erledigung in der Hauptsache (§ 91a) oder die Entscheidung über das Aussetzen des Verfahrens (§ 248) zu nennen. Innerhalb der Beschlüsse ist zu unterscheiden zwischen solchen, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung und Beschlüssen, die ohne notwendige mündliche Verhandlung ergehen. Zur Entscheidung durch Beschl ist anders als bei Verfügungen das erkennende Gericht als gesamter Spruchkörper berufen (R/S/G § 58 Rz 4).
II. Existenz und Wirksamwerden.
Rn 3
Zu unterscheiden ist zwischen dem Existentwerden und dem Wirksamwerden von Beschlüssen (KG NJW-RR 00, 1239). Für beides ist von Bedeutung, ob es sich um Beschlüsse handelt, die ohne oder aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen sind.
1. Existenz.
Rn 4
Existent werden Beschlüsse stets dann, wenn sie den inneren Bereich des Gerichts verlassen haben (BGH NJW 57, 1480 [BGH 27.06.1957 - III ZR 51/56]; BGH NJW-RR 00, 877; BGH NJW-RR 12, 1533, 1534) und von diesem nicht mehr verändert werden können (BGH NJW-RR 04, 1575). Bis zu diesem Zeitpunkt eingehende Schriftsätze müssen zur Vermeidung einer Gehörsverletzung berücksichtigt werden (BGH NJW-RR 12, 1533 [BGH 12.07.2012 - IX ZB 270/11]). Beschlüsse, die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen, werden mit ihrer Verkündung existent, weil sie damit bereits den inneren Bereich des Gerichts verlassen. Dagegen werden ohne notwendige mündliche Verhandlung ergangene Beschlüsse existent, sobald s...