Rn 7
Voraussetzung eines Urteils nach §§ 330 ff ist die Säumnis des Klägers. Eine Partei ist säumig, wenn sie trotz ordnungsgemäßer Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht nach Aufruf der Sache am hierzu bestimmten Ort nicht erscheint, bei notwendiger Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist oder (§ 333) nicht zur Sache verhandelt (BGHZ 141, 351, 354). Die Säumnis ist für jeden Streitgenossen gesondert zu beurteilen (§ 61 Rn 4); der erschienene und verhandelnde Streithelfer verhindert die Säumnis der unterstützten Partei (§ 67 Rn 3). Der Verhandlung muss ein Aufruf der Sache (§ 220 I) vorausgehen (BVerfGE 42, 364, 371 [BVerfG 05.10.1976 - 2 BvR 558/75]), der nicht nur im Sitzungssaal, sondern auch auf dem Gerichtsflur zu hören sein muss (KG MDR 74, 52; LG Hamburg NJW 77, 1459 [LG Hamburg 02.03.1977 - 17 S 363/76]) und frühestens zur angesetzten Terminszeit erfolgen darf. Der Aufruf soll die Partei in die Lage versetzen, den Termin wahrzunehmen. Säumnis liegt daher trotz fehlerhaften Aufrufs vor, wenn die ordnungsgemäß geladene Partei vom Beginn der bestimmten Terminszeit an bis zu einem späteren Schluss der Verhandlung nicht im Gericht anwesend gewesen ist (KG NJW 87, 1338, 1339).
Rn 7a
Möglich ist eine Säumnis auch bei einer Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung gem § 128a (vgl zu der geplanten Ausweitung des Einsatzes von Videokonferenztechnik Fuhrmann/Merks ZRP 23, 66). Säumig ist der Kläger, wenn er bzw sein Prozessbevollmächtigter weder im Gerichtssaal physisch erscheint und verhandelt noch eine Bild- und Tonübertragung zustande kommt (vgl Celle NJW-RR 22, 1653 [OLG Celle 15.09.2022 - 24 W 3/22] Rz 30; Windau NJW 20, 2753 Rz 25). Dass sich der Verfahrensbeteiligte nicht an dem von dem Gericht bestimmten ›anderen Ort‹ nach § 128a befindet (zB statt in der Kanzlei im Homeoffice oder einem anderen Kanzleistandort), begründet eine Säumnis grds nicht, wenn eine einwandfreie Übertragung gewährleistet ist (Windau NJW 20, 2753 Rz 24; Musielak/Vogt/Stadler § 128a Rz. 2; aA MüKoZPO/Fritsche § 128a Rz 9). Wählt eine Partei für die Videoverhandlung einen Ort, der – etwa wegen Umgebungsgeräuschen – erkennbar ungeeignet ist, kann die Videokonferenz allerdings abgebrochen werden (Musielak/Vogt/Stadler § 128a Rz. 2; Gomille/Frenzel NJOZ 22, 1185, 1186 – auch zu weiteren Einzelheiten zu der Säumnis bei Verbindungsproblemen). S zu den Folgefragen des Verschuldens bei Verbindungsproblemen § 337 Rn. 4.
Rn 8
Fehlendes Verschulden schließt nicht die Säumnis aus, begründet jedoch ein Vertagungsgebot nach § 337 S 1. Ein Versäumnisurteil darf dann nicht erlassen werden (RGZ 166, 246, 248; BGH NJW 76, 196 [BGH 09.10.1975 - VII ZR 242/73]). Das Gericht muss für die unverschuldete Säumnis konkrete Anhaltspunkte haben (St/J/Bartels v § 330 Rz 10). Es obliegt daher der Partei, die nicht oder nicht rechtzeitig erscheinen kann, dem Gericht die Verhinderung und deren Grund vorher mitzuteilen (vgl BGH NJW 06, 448, 449 [BGH 03.11.2005 - I ZR 53/05]; Celle NJW 04, 2534, 2535 [OLG Celle 24.06.2004 - 11 U 57/04]).
Rn 9
Standesrechtliche Gebote, die früher einem Anwalt ggü seinem Kollegen die Pflicht zur Ankündigung eines Antrags auf das Versäumnisurteil auferlegten, bestehen nicht mehr. Auch die anwaltlich vertretende säumige Partei muss daher damit rechnen, dass der Gegner das Versäumnisurteil beantragt (s § 337 Rn 8).