Rn 11
Die Säumnis des Bekl bewirkt, dass das gesamte (rechtzeitig vorgetragene) tatsächliche Vorbringen des Kl als zugestanden anzunehmen ist. Ausgenommen sind die einem Geständnis nicht zugänglichen, vAw zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen (s Rn 3), was nach Abs 1 S 2 auch für das Vorbringen des Kl zu Vereinbarungen über den Erfüllungsort- und den Gerichtsstand gilt. Im Revisionsverfahren wird § 331 durch § 559 modifiziert. Die Geständnisfunktion kann sich nur auf solche neuen Tatsachen beziehen, die im Revisionsverfahren ausnahmsweise berücksichtigungsfähig wären. Sind diese Voraussetzungen indes erfüllt, kann sich die Unstreitigkeit neuer Tatsachen bei Säumnis des Revisionsbeklagten auch daraus ergeben, dass das Vorbringen des Revisionsklägers nach §§ 555, 331 Abs 1 S 1 als zugestanden anzusehen ist (BGH GRUR 23, 1116 [BGH 23.03.2023 - I ZR 17/22] Rz. 31 ff; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf § 555 Rz 10)
Rn 12
Die Geständnisfiktion gilt nicht für Rechtsfragen, Erfahrungs- und Rechtssätze, zu denen auch das ausländische Recht nach § 293 gehört (MüKoZPO/Prütting Rz 13; Musielak/Voit/Stadler Rz 8; St/J/Bartels Rz 15; Wieczorek/Schütze/Büscher Rz 3; aA München NJW 76, 489 [OLG München 23.10.1975 - 1 U 2564/75] mit abl Anm Küppers). Geständnisfähiger Vortrag dazu ist dagegen das Vorbringen des Kl zu einer Rechtswahl nach Art 3 Rom I-VO (Musielak/Voit/Stadler aaO).
Rn 13
Im Urkundenprozess (§§ 592 ff) gilt die Geständnisfiktion nach § 597 II nicht für die in dieser Verfahrensart nur durch Urkunden nachzuweisenden anspruchsbegründenden Tatsachen (BGHZ 62, 286, 290).
Rn 14
Unterschiedlich sind die Ansichten dazu, welche Folgen der nach Überzeugung des Gerichts unwahre Vortrag des Kl auslöst. Da das fingierte Zugestehen in § 331 I 1 nicht weiter reichen kann als ein vom Bekl erklärtes Geständnis nach § 288 I, sind der mit offenkundigen Tatsachen (§ 291) unvereinbare Vortrag des Kl (BGH NJW 79, 2089 [BGH 29.06.1979 - III ZR 156/77]) sowie arglistiges Handeln beider Parteien zum Nachteil eines Dritten (vgl Ddorf NJW-RR 98, 606 [OLG Düsseldorf 27.05.1997 - 4 U 126/96]; Schlesw NJW-RR 00, 356, 357 [OLG Schleswig 20.01.1999 - 9 U 19/98] zu § 288) unbeachtlich. Anders ist es nach hM, wenn der Richter auf Grund vorangegangener Beweisaufnahme von der Unrichtigkeit des Klagevortrags überzeugt ist, weil die Beweisergebnisse wegen der Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit mündlicher Verhandlung in § 332 durch die Säumnis in einem späteren Termin unerheblich sind, so dass auf Antrag des Kl das Versäumnisurteil zu erlassen ist (vgl BAG NJW 04, 3732, 3733 [BAG 18.08.2004 - 5 AZR 623/03]; MüKoZPO/Prütting Rz 20; Musielak/Voit/Stadler Rz 9; aA Olzen ZZP 98, 403, 421; Weyers FS Esser, 193, 210). Erst recht ist es nach hM unzulässig, den Antrag auf ein Versäumnisurteil bei Zweifeln an der Wahrheit des Vorbringens des Kl wegen seines unvereinbaren Inhalts mit den von dem Bekl nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Urkunden zurückzuweisen (so jedoch Brandbg NJW-RR 1995, 1471 [OLG Brandenburg 31.07.1995 - 5 W 78/95]). Diese Fälle dürften so zu lösen sein, dass das Gericht das Versäumnisurteil erlassen muss, auch wenn es erhebliche Zweifel an der Wahrheit des Vortrages hat; denn diese Prüfung ist dem Gericht durch die Geständnisfiktion verwehrt (s Rn 1). Der Vortrag, der unter bewusster Verletzung der Wahrheitspflicht vorgebracht wird, ist dagegen unbeachtlich (vgl BGH NJW-RR 03, 69, 70 [BGH 20.09.2002 - V ZR 170/01]) und darf daher auch nicht Grundlage eines der Klage stattgebenden Versäumnisurteils sein. Ist das Gericht davon überzeugt, hat es unter Angabe der für seine Auffassung wesentlichen Gründe die Klage durch kontradiktorisches Urt abzuweisen (so wohl auch Musielak/Voit/Stadler § 138 Rz 7).