Rn 5
Eine weitere, originäre Kammerzuständigkeit sieht § 348 I 2 Nr 2 vor, wenn der Rechtsstreit einem der dort genannten Rechtsgebiete entstammt und die Kammer für dieses Rechtsgebiet entweder nach dem gerichtlichen Geschäftsverteilungsplan oder qua Gesetz nach § 72a I u II GVG (seit 1.1.18 bzw 1.1.21, s § 40a EGGVG und Rn 1) spezialzuständig ist. Durch diese originäre Kammerzuständigkeit und die für eine Entscheidung in Kammersachen notwendige Zusammenarbeit soll das jew durch die Kammermitglieder erworbene Wissen in diesen Spezialmaterien iRd gemeinsamen Beratungen an die gesamte Kammer weitergegeben und auf diese Weise insgesamt schneller Spezialwissen aufgebaut werden (ebenso bereits BeckOK ZPO/Fischer § 348 Rz 13.1 ff). Zugleich ist eine Übertragung des Rechtsstreits von der originär zuständigen Kammer auf den obligatorischen Einzelrichter unter den Voraussetzungen des § 348a I grds zulässig (vgl für das Arzthaftungsrecht jedoch BGH Beschl v 14.5.13 – VI ZR 325/11 = NJW 13, 2601 Rz 14 f). Die gesetzliche Zuständigkeitsregelung in § 348 I 2 Nr 2 durch den Verweis auf § 72a I und II GVG erscheint insofern problematisch, als § 72a I Nr 6 und 7 GVG die Einrichtung von Spezialkammern auch in erb- und insolvenzrechtlichen Streitigkeiten anordnet, während § 348 I 2 Nr 2 diese Materien in seinem Zuständigkeitskatalog gerade nicht aufführt. Daher ließe sich § 348 I 2 Nr 2 dergestalt auslegen, dass eine originäre Kammerzuständigkeit nach § 348 I 2 Nr 2 in erb- und insolvenzrechtlichen Streitigkeiten nach § 72a I Nr 6 und 7 GVG nur dann besteht, wenn das Präsidium des betreffenden LG bei der Aufstellung des gerichtlichen Geschäftsverteilungsplanes nach § 21e I 1 GVG zugleich eine solche Kammerzuständigkeit festlegt. Indes sprechen die Gesetzesmaterialien wie auch der soeben skizzierte Sinn und Zweck eines schnelleren Wissenstransfers innerhalb der Kammer dafür, auch in den Fällen des § 72a I Nr 6 und 7 GVG qua gesetzlicher Anordnung stets eine originäre Kammerzuständigkeit anzunehmen (vgl insb BTDrs 19/138, S 31; ebenso LG Frankfurt aM Beschl v 18.2.21 – 13 O 35/21 = NZI 21, 799 Rz 1 ff).
Rn 5a
Eine originäre Zuständigkeit der Kammer kann sich nach § 348 I 2 Nr 2 überdies aus dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ergeben, wobei es nach § 21e I 1 GVG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtspräsidiums liegt, in welchem Umfang an dem betreffenden Gericht über die gesetzliche Anordnung in § 72a I GVG hinaus Spezialkammern geschaffen und eine originäre Kammerzuständigkeit begründet wird. Ist die Auslegung des Geschäftsverteilungsplans und deshalb die Zuständigkeit einer Kammer im Zweifel, so entscheidet das Präsidium (vgl § 21e GVG Rn 28). Ist die Kammer in jedem Fall zuständig, entscheidet sie selbst nach Abs 2 (vgl wiederum BGH Beschl v 16.9.03 – X ARZ 175/03 = BGHZ 156, 147, 152). Für die Zuordnung des Rechtsstreits nach Nr 2 ist der Streitgegenstand maßgeblich, der sich durch Klageerweiterung oder Widerklage ändern kann (KG Beschl v 19.10.20 – 2 AR 1038/20 = NJW-RR 21, 62Rz 7 f). Die Aufrechnung mit einer Forderung, die in die Spezialzuständigkeit fällt, reicht nicht (Schlesw Beschl v 1.7.21 – 2 AR 20/21, NJW 22, 82 Rz 13 ff). Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 348 I 2 Nr. 2 eine stärkere Spezialisierung und auch Nutzung von Spezialwissen herbeizuführen, muss es jedoch genügen, wenn ein Rechtsstreit zumindest tw in eine Spezialzuständigkeit fällt.
Rn 6
Die unter Buchstabe a genannten Sachgebiete umfassen auch Streitigkeiten über Veröffentlichungen im Internet (Karlsr Beschl v 8.7.16 – 18 WF 183/15 = NJW-RR 16, 1158 Rz 15), über die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung nach den Pressegesetzen der Länder oder anderen Rechtsgrundlagen sowie Streitigkeiten aufgrund von Vereinbarungen aus den genannten Rechtsgebieten. Unter Buchstabe b fallen insb Ansprüche gegen eine Bank, Sparkasse, ein Kredit- oder Finanzinstitut, die sich aus dem allgemeinen Bankvertrag oder in § 1 KWG genannten Geschäften (ua Kredit-, Diskont-, Effekten-, Depot-, Investment-, Leasing- und Wertpapiergeschäfte, Terminkontrakte und Optionen) ergeben (vgl München Beschl v 2.4.14 – 20 W 503/14 = MDR 14, 724, 725; BayObLG Beschl v 24.6.21 – 101 AR 64/21, juris Rz 23 ff; zu § 119a 1 Nr 1 GVG vgl Hambg Beschl v 6.8.18 – 6 AR 10/18 = MDR 18, 1327 f; Bambg Beschl v 31.8.18 – 2 ZIV AR 2/18 = NJW-RR 18, 1386 [OLG Bamberg 31.08.2018 - 2 ZIV AR 2/18] Rz 23 ff). Unter Buchstabe c fallen Streitigkeiten unabhängig von ihrer vertraglichen Qualifizierung (auch Dienstverträge und typengemischte Verträge, vgl KG Beschl v 22.3.18 – 2 AR 11/18 = NJW-RR 18, 639 Rz 8), wenn der Anspruch aus einem Rechtsverhältnis herrührt, in dem eine Partei die Verpflichtung zur Durchführung oder Überwachung von Bauarbeiten übernommen hat. Die Vorschrift umfasst auch quasivertragliche Ansprüche (insb GoA) und bereicherungsrechtliche sowie deliktische Ansprüche, soweit sie im Zusammenhang und nicht bloß bei Gelegenheit des vertraglichen Leistungsaustausches ents...