Rn 3
Die Ausübung des Wahlrechts muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent durch Einreichung einer Klageschrift bei dem angegangenen Gericht oder einer Widerklage oder durch die Bezeichnung eines Gerichts als für die Durchführung eines streitigen Verfahrens zuständig (vgl § 690 I Nr 5) im Mahnbescheidsantrag erfolgen (BayObLG Beschl v 9.1.23 – 102 AR 150/22, Rz 23 – juris; München MDR 07, 1154, 1155; Hamm MDR 12, 800, 801 [OLG Hamm 13.02.2012 - 32 SA 5/12]). Das Wahlrecht kann nur vor Eintritt der Rechtshängigkeit ausgeübt werden und erlischt mit deren Eintritt (BayObLG Beschl v 20.7.23 – 101 AR 150/23 e, Rz 55 –, juris; Hamm Beschl v 9.1.19 – 32 SA 7/19, Rz 10 – juris). Mit der Zustellung der Klageschrift (§§ 253 I, 261 I, III Nr 2) bzw des Mahnbescheids im Mahnverfahren – s § 696 III: rückwirkend auf Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids fingierte Rechtshängigkeit bei baldiger Abgabe an Streitgericht nach Widerspruch (s BGH NJW 1993, 1273; BeckOKZPO/Toussaint § 35 Rz 8 mwN) – wird die vom Kl getroffene Wahl unter den zuständigen Gerichten bindend und grds unwiderruflich (BGH Beschl v 19.1.93 – X ARZ 845/92 – NJW 93, 1273; BGH Beschl v 22.6.93 – X ARZ 340/93 –NJW 93, 2810; BayObLG Beschl v 9.1.23 – 102 AR 150/22, Rz 23 – juris; BayObLG Beschl v 20.7.23 – 101 AR 150/23 e, Rz 55 –, juris; München MDR 07, 1154, 1155; BeckOKZPO/Toussaint § 35 Rz 8). Wird die Wahl durch einen Verweisungsantrag (§ 281 I 1) ausgeübt, ist dies sofort bindend (vgl. BayObLG NJW-RR 1991, 187 (188); BeckOKZPO/Toussaint § 35 Rz 8.1). Gleiches gilt für die Zustellung einer Widerklage, die der am Wohnsitz in Anspruch genommene Bekl im Gerichtsstand des § 33 erhebt (Zweibr NJW-RR 00, 590 f [OLG Zweibrücken 30.04.1999 - 2 AR 18/99]). Zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit ist folglich der Kl an seine ausgeübte Wahl nicht gebunden. Er kann daher gegenüber dem zunächst gewählten Gericht jederzeit seine Wahl frei ändern und Abgabe an das neu gewählte Gericht beantragen (vgl. BayObLG BeckRS 1999, 8560 mwN; LAG SchlH BeckRS 2009, 55140 unter II 2; München MDR 07, 1154, 1155 [OLG München 23.11.2006 - 31 AR 138/06]; BeckOKZPO/Toussaint § 35 Rz 9 mwN). Im selbstständigen Beweisverfahren wird das Wahlrecht mit Einreichung der Antragsschrift bindend ausgeübt (Zweibr BauR 97, 885). Die im Arrest- bzw einstweiligen Verfügungsverfahren getroffene Wahl hat nur für das Eilverfahren Wirkung ohne Verbrauch des Wahlrechts für das Hauptsacheverfahren (Karlsr NJW 73, 1509, 1510 [OLG Karlsruhe 28.03.1973 - 6 U 3/72]).
Das Wahlrecht besteht grds nur zu Beginn eines Rechtsstreits, hingegen entsteht es nicht ow bei jedem Hinzutreten einer weiteren Beklagtenpartei neu (s aber nachstehend), und zwar auch dann, wenn mit der Klageerweiterung die Klage gegen den zuerst Bekl zurückgenommen wird (Bambg Beschl v 8.8.18 – 8 SA 27/18 – juris). Bei einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite besteht indes ein Wahlrecht des Kl iSv § 35. § 261 III Nr 2 findet beim Beklagtenwechsel keine Anwendung. Da der bisherige Bekl beim Parteiwechsel aus dem Rechtsstreit ausscheidet, kommt es auf die Folgen einer ihm gegenüber wirksam getroffenen Wahl nach § 35 nicht an (BayObLG Beschl v 10.2.21 – 101 AR 163/20, Rz 23 – juris).
Grundsätzlich kommt ein Erlöschen des Wahlrechts denklogisch nur in Betracht, wenn das Wahlrecht zum Zeitpunkt seiner potenziellen Ausübung bereits bestand. Ist dies nicht der Fall, weil es etwa erst nach der Einreichung des Mahnbescheidsantrags zu einem Wechsel des allgemeinen Gerichtsstands des Bekl und dadurch zur Begründung eines zweiten Gerichtsstandes gekommen ist, kann die Gerichtsstandswahl noch bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung (zB durch Verweisungsantrag) ausgeübt werden (München MDR 07, 1154, 1155 [OLG München 23.11.2006 - 31 AR 138/06]; München MDR 07, 1278, 1279). Ausnahmsweise kann der Kl nach Rechtshängigkeit noch von seinem Wahlrecht Gebrauch machen. Unwiderruflich und bindend ist nur eine fehlerfrei getroffene Wahl. Eine fehlerbehaftete Wahl ist hingegen insgesamt unwirksam; bei sachlicher Unzuständigkeit ist auch die Wahl der örtlichen Zuständigkeit nicht bindend (BayObLG Beschl v 20.7.23 – 101 AR 150/23 e, Rz 51 –, juris). Dies ist etwa der Fall, wenn der Kl zunächst ein unzuständiges Gericht angerufen hatte, da eine Auswahl nur zum Erlöschen des Wahlrechts führen kann, wenn sie unter den zuständigen Gerichten erfolgt ist. (BeckOKZPO/Toussaint § 35 Rz 12 mwN). In diesem Fall stellt der Verweisungsantrag an ein zuständiges Gericht die – endgültige – Ausübung des Wahlrechts dar (BayObLG Beschl v 20.7.23 – 101 AR 150/23 e, Rz 55 –, juris; Hamm Beschl v 30.12.15 – I-32 SA 67/15, Rz 19 – juris; s. Schlesw MDR 07, 1280, 1281).
Eine Ausnahme wurde auch bejaht, wenn der Kl erst nach der Klageerhebung erfährt, dass es weitere Schuldner gibt, die er gemeinsam mit der bereits verklagten Partei in einem besonderen Gerichtsstand (zB der unerlaubten Handlung) verklagen könnte, und seine nachträgliche Kenntniserlangung nicht d...