I. Zeitpunkt.

 

Rn 7

Die Anordnung gem § 377 III kann gem § 358a Nr 3 schon vor der mündlichen Verhandlung ergehen; dies ist – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – in hohem Maße zweckdienlich, weil dies den Kenntnisstand des Gerichts und der Parteien schon vor Beginn der Güteverhandlung beträchtlich erhöht.

II. Einverständnis, Fragerecht.

 

Rn 8

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das Einverständnis der Parteien nicht erforderlich (anders im Fall des § 128 II). Jedoch wird es sich empfehlen, vorab die entsprechende Zustimmung der Parteien einzuholen. Die Zeugenvernehmung nach § 377 III unterfällt nämlich nicht dem Urkunds-, sondern dem Zeugenbeweis, so dass das Recht der Parteien, an den Zeugen Fragen zu stellen (§ 397 I), durch eine Anordnung nach § 377 III nicht ausgehebelt werden kann (Zö/Greger § 377 Rz 10). In der Praxis bedeutet dies, dass es im Belieben der Partei steht, ein persönliches Erscheinen des Zeugen vor Gericht doch zu erzwingen (Zö/Greger § 377 Rz 10; aA BAG NJW 17, 1770 [BAG 26.01.2017 - 8 AZN 872/16] Rz 7; LArbG Berlin v 5.4.17 – 15 Ta 1522/16, Rz 43; Musielak/Voit/Huber § 377 Rz 8: im Zweifel ist der Zeuge zu laden).

III. Voraussetzungen.

1. Persönlich.

 

Rn 9

Zunächst muss der Zeuge persönlich in der Lage sein, schriftlich Stellung zu nehmen. Wenngleich ein bestimmtes Mindestalter hierfür nicht vorzuschreiben ist (Zö/Greger § 377 Rz 8), so kommt für ein Verfahren gem § 377 III doch nur eine Auskunftsperson in Betracht, die sich schriftlich auszudrücken versteht.

2. Sachlich.

 

Rn 10

Wie schon § 375, stellt auch § 377 III eine Abkehr von der unmittelbaren Beweisaufnahme dar. Wenngleich die früher im Gesetz enthaltene Beschränkung des schriftlichen Verfahrens auf die Mitteilung von Tatsachen, die in Aufzeichnungen enthalten sind, entfallen ist, zeigt dieses Bsp doch, dass nur ein relativer enger Kreis von Fragen für § 377 III in Betracht kommt, nämlich die Auskunft über Umstände, die weitgehend objektivierbare Tatsachen betreffen, bei denen es auf die individuelle Erkenntnisfähigkeit des Zeugen (die das Gericht nur im persönlichen Umgang beurteilen könnte) nicht ankommt, und bei denen Rückfragen und Vorhaltungen des Gerichts (§ 396 II) sowie Fragen der Parteien (§ 397 I) voraussichtlich nicht zu erwarten sind. In der Praxis wird sich bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage das zusätzliche Problem stellen, zuverlässig auszuschließen, dass nicht auch andere Personen als der benannte Zeuge, insb Parteien, an der Entstehung der schriftlichen Aussage mitgewirkt haben.

IV. Anordnung.

1. Inhalt.

 

Rn 11

Die – gem § 355 II nicht anfechtbare (Jena 17.6.11 – 4 W 291/11, Rz 3) – Anordnung trifft das Prozessgericht, nicht der beauftragte oder ersuchte Richter (Zö/Greger § 377 Rz 5). In der Anordnung, die, wenn sie vorab ergeht, gem § 358a Nr 3 einen förmlichen Beweisbeschluss erfordert, ist der Gegenstand der Vernehmung (§ 377 II Nr 2) so genau zu bezeichnen, dass der Zeuge den Inhalt der Fragestellung ohne weiteres erfassen kann. Außerdem ist er darauf hinzuweisen, dass er gleichwohl vorgeladen werden kann. Ist dem Gericht bekannt, dass dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, ist er auch auf dieses Recht hinzuweisen (Zö/Greger § 377 Rz 9).

2. Ermessen.

 

Rn 12

Es liegt grds im Ermessen des Prozessgerichts, ob es eine schriftliche Vernehmung des Zeugen anordnet. Angesichts des Umstandes, dass eine Ladung zur mündlichen Vernehmung stets auch einen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Position des Zeugen (allgemeine Handlungsfreiheit, Art 2 I GG) mit sich bringt, kann sich in Ausnahmefällen dieses Ermessen des Gerichts aber auf Null reduzieren. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Erkenntnisgewinn der mündlichen ggü der schriftlichen Vernehmung einerseits nicht spürbar ist, die Belastung des Zeugen durch die Pflicht zum Erscheinen aber andererseits durch besondere Umstände ungewöhnlich hoch ist (Frankf OLGR Frankf 08, 76: häufige Ladung des identischen Zeugen in gleich gelagerten Verfahren).

V. Durchführung; Ladung zur mündlichen Verhandlung.

 

Rn 13

Eine bei Gericht eingehende schriftliche Zeugenaussage ist unverzüglich den Parteien unter Fristsetzung zur Stellungnahme zuzuleiten. Bleibt die Aussage indessen aus, ist der Zeuge nicht etwa mit Ordnungsmitteln zu belegen (verfehlt deshalb Celle 20.2.20 – 11 U 169/19, Rz 34, wonach eine Anordnung gem § 377 III ggü im Ausland lebenden Zeugen unzulässig sein soll), sondern zur mündlichen Vernehmung in einem Haupttermin zu laden (Zö/Greger, § 377 Rz 9). Der Zeuge ist auch dann zur mündlichen Vernehmung zu laden, wenn die schriftliche Aussage inhaltlich unzureichend ist (§ 286) oder wenn Bedarf an weiterer Aufklärung besteht, die zB durch Fragen des Gerichts betrieben werden soll. Einem Antrag einer Partei, den Zeugen zu laden, damit ihm Fragen gestellt werden können (§ 397 I), hat das Gericht nachzukommen (Zö/Greger § 377 Rz 10; LG Berlin NJW-RR 97, 1289, 1290 [LG Berlin 25.11.1996 - 62 S 387/96]; im Ergebnis ebenso Musielak/Voit/Huber § 377 Rz 8: im Zweifel ist der Zeuge zu laden); den Parteien kann nicht angesonnen werden, eine Entscheidung hinzunehmen, die auf einer Aussage beruht, deren Urheber die Parteien niema...

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