Prof. Dr. Christian Katzenmeier
I. Allg Leitungs- und Weisungspflicht (Abs 1).
Rn 3
Inhalt und Umfang der gebotenen Weisungen richten sich nach dem Einzelfall, wobei auch die forensische Erfahrung des SV zu berücksichtigen ist (zur Ausgestaltung als konstruktiver Dialog s Rn 1). Das Gericht muss den SV in die Grundlagen sowie den Inhalt und Zweck des Gutachtenauftrags vollständig und unmissverständlich einweisen, insb den Ausgangssachverhalt vorgeben (Rn 5–7), ggf sind auch rechtliche Hinweise zu erteilen (zu juristischen Fachbegriffen s vor §§ 402 ff Rn 3; BGH VersR 96, 959; Köln VersR 98, 1249). Zur Überlassung der Prozessakten s Rn 6. Relevant ist idR die Klärung der Beweisfrage (s Rn 4), auch soweit darüber hinaus spontane Bedenken zu äußern sind (BGH VersR 82, 168; Oldbg MedR 08, 618); sonst droht Ablehnung, s.u. § 406 Rn 17. Auch Art und Weise des Vorgehens des SV können Gegenstand sein (unter Beachtung der sog Kooperationsmaxime); zum Umgang mit den Prozessbeteiligten und zu Eingriffen s Rn 8–11; Verfahren Rn 15.
II. Abfassung und Erläuterung der Beweisfrage (Abs 2).
Rn 4
Eine frühzeitige Zuziehung des SV kann gerade zur Vermeidung unnötiger Kosten und zeitlicher Verzögerungen sinnvoll sein (vgl EGMR NJW 11, 1055; Schneider/Schmaltz NJW 11, 3270; näher Stamm ZZP 124, 433, 437 ff; Schobel MDR 14, 1003, 1004 f). Dabei muss aber sichergestellt werden, dass die Beweisfrage vom Gericht in voller Eigenverantwortung formuliert wird. Es muss eine ›Besonderheit des Falls‹ vorliegen, die zB eine Abklärung des Fachgebiets (s § 404 Rn 2) oder des Kostenvorschusses (§§ 402, 397, s.a. § 407a Rn 9 f) erforderlich macht. Ausnahmsweise können Anschlusstatsachen und Vorbereitungsmaßnahmen (s Rn 5–10) Gegenstand des Auftrags sein. Zur Einweisung des SV in seine Aufgabe und Auftragserläuterung s Rn 3; zum Verfahren Rn 15.
III. Anschlusstatsachen (Abs 3).
1. Gerichtliche Pflicht.
Rn 5
Die dem Gutachten zugrunde zu legenden (sog Anschluss- oder Anknüpfungs-) Tatsachen hat das Gericht grds selbst (idR zeitlich vor der Einholung eines Sachverständigengutachtens) zu ermitteln und dem SV mitzuteilen (Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, § 355; BGH NJW 97, 1446 [BGH 21.01.1997 - VI ZR 86/96]; zu den Ausnahmen s Rn 8–10; s.a. § 355 Rn 9). Dies kann im Beweisbeschl (§ 359 Nr 1) oder in einem gesonderten Beschl, auch in der Zuleitungsanordnung des Vorsitzenden erfolgen (Abs 5 S 1 ist zu beachten, einschließlich ggf bereits erfolgter Beweiswürdigung). Dadurch sollen Missverständnisse und Unklarheiten bei der Gutachtenerstellung vermieden werden. Eine gesonderte Darstellung ist mithin entbehrlich, wenn die Tatsachen unstr sind und sich hinreichend klar aus dem Akteninhalt ergeben (ggf Hinweis auf Aktenfundstelle; zur Aktenüberlassung s.u.). Die Anordnung einer Begutachtung auf alternativer Tatsachengrundlage ist zulässig.
2. Aktenüberlassung.
Rn 6
Die erforderlichen Prozessakten dürfen und müssen idR überlassen werden (vgl § 407a V, SV ist Gehilfe des Gerichts). Sind etwa Persönlichkeitsrechte einer Partei betroffen, ist regelmäßig eine Einwilligung des Rechtsinhabers erforderlich; prozessuale Rechte sind zu gewähren. Bei Verweigerung der Einwilligung kommt als prozessuale Reaktion eine Entscheidung nach Beweislast oder den Grundsätzen der Beweisvereitelung in Betracht (vgl insoweit zu § 356 BGH NJW 81, 1319; zu Krankenunterlagen Hamm VersR 01, 249; s.a. § 142). Zu Geheimhaltungsinteressen vgl Rn 12 aE.
3. Unzulässige Übertragung.
Rn 7
Eine unzulässige Übertragung kann nach § 295 geheilt werden (BGHZ 23, 207, 213 = NJW 57, 906) und das Gericht kann solche Tatsachen auch noch nachträglich verfahrensgemäß feststellen (BGHZ 37, 389, 394 = NJW 62, 1770; 97, 3096, 3097).
IV. Befugnisse und Pflichten des SV (Abs 4).
1. Ermittlungen, Vorbereitungsmaßnahmen sowie Eingriffe und Folgenbeseitigung durch den SV.
a)
Rn 8
Die Sachverhaltsermittlung ist grds Aufgabe des Gerichts (s Rn 5), so dass der SV nur dann ermittelnd tätig werden darf, wenn hierfür im konkreten Fall eine dem Gericht fehlende besondere Sachkunde erforderlich ist (vgl BGHZ 37, 389, 394 = NJW 62, 1770; 97, 3096, 3097) und das Gericht ihn nach Abs 4 S 1 beauftragt hat. Es hat den Umfang klarzustellen, auch welche Untersuchungen er durchzuführen hat, ob und inwieweit er die Parteien oder Zeugen direkt kontaktieren darf sowie die Teilnahmerechte der Parteien (s Rn 11). Bei der Überprüfung, ob eine Ermittlung des SV erforderlich ist, muss das Gericht immer die Alternative im Blick behalten, die Ermittlungen selbst in Anwesenheit (und ggf mit Fragerecht) des SV durchzuführen (BGHZ 37, 389, 394 = NJW 62, 1770; 97, 3096, 3097). Dabei ist auch zu beachten, dass die Vorschrift eine Übertragung der Beweiserhebung auf den SV nicht vorsieht (s aber Rn 14), vielmehr nur formlose Ermittlungen ermöglicht (auch Einsicht bei Behörden, München BauR 93, 768), die sich nicht als unzulässige Ausforschung darstellen dürfen (Karlsr NJW-RR 09, 134, 136; zu Abgrenzungsproblemen Greger FS Leipold 09, 47, 48 f; Seibel BauR 13, 536). Zwangsbefugnisse stehen dem SV nicht zu (Jena NJW 10, 3673). Körperliche Untersuchungen sind möglich, Operationen hingegen grds unzulässig (Stuttg MedR 95, 498; Ddorf NJW 84, 2635 [OLG Düsseldorf 14.06.1984 - 8 U 166/83]).
b)
Rn 9
Unabdingbar notwendige und wenig beeinträchtigende Vorbereitungsmaßnahmen wie die Durchführung eines Ortstermins (Th...