Rn 23

Gegenstand des Urkundenbeweises ist ›der beurkundete Vorgang‹, also die Erklärung vor der Behörde oder Urkundsperson. Damit ist zunächst bewiesen, dass die beurkundete Erklärung zur angegebenen Zeit und am angegebenen Ort (Hamm NJW-RR 00, 406, 407 [OLG Hamm 01.10.1999 - 20 U 200/98]) wie in der Urkunde niedergelegt und nicht anders abgegeben wurde (BGH NJW 94, 320, 321 zu § 130 AktG; BGH NJW-RR 07, 1006, 1007 [BGH 16.01.2007 - VIII ZR 82/06] zur Beweiskraft einer französischen Ermittlungsakte). Auch sonstige Umstände der Beurkundung wie insb die Abgabe der Erklärung vor der genannten Urkundsperson werden von der formellen Beweiskraft der Urkunde erfasst (BGH JZ 87, 522 [BGH 14.08.1986 - 4 StR 400/86] zu § 348 StGB; Zö/Feskorn § 415 Rz 6). Dagegen werden Vertretungsnachweise, die notariellen Urkunden nach § 12 BeurkG beigefügt werden, durch die Beifügung nicht zu öffentlichen Urkunden mit entsprechender formeller Beweiskraft (BGH NJW-RR 12, 649, 650). Die inhaltliche Richtigkeit einer Urkunde ist nicht Gegenstand des Urkundenbeweises, sondern unterliegt der richterlichen Beweiswürdigung (vgl auch BGH NJW-RR 12, 649, 650 [BGH 16.02.2012 - V ZB 48/11] zur eingeschränkten Prüfung im formalisierten Verfahren der Zwangsversteigerung).

 

Rn 24

Für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden besteht die‹ Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit‹ des Urkundstextes (BGH NJW 02, 3164, 3165 [BGH 05.07.2002 - V ZR 143/01]; DNotZ 17, 48, 49 mwN; NJW 20, 1800, 1807 [BGH 12.03.2020 - IX ZR 125/17]; Jäckel MDR 18, 1037, 1040). Der Gegner, der die Abgabe über den Urkundeninhalt hinausgehender Erklärungen behauptet, muss die Vermutung widerlegen; es reicht nicht aus, sie zu erschüttern (BGH NJW-RR 98, 1470; DNotZ 17, 48, 49; St/J/Berger § 415 Rz 25: ›gewohnheitsrechtliche Vermutung‹). Zur Widerlegung der Vermutung genügt die Vorlage der Textfassung, die der Notar den Beteiligten im Hinblick auf § 17 Abs 2a S 2 Nr. 2 BeurkG vor dem Beurkundungstermin übermittelt hatte, schon deshalb nicht, weil es während des Beurkundungsverfahrens zu Textänderungen kommen kann und erst die beurkundete Fassung die Erklärungen der Beteiligten dokumentiert (BGH DNotZ 17, 48, 49 [BGH 10.06.2016 - V ZR 295/14]). Die Vermutung der Vollständigkeit erstreckt sich nicht darauf, dass sonstige, nicht dem Beurkundungserfordernis unterliegende Erklärungen wie Informationen, Hinweise oder Ähnliches abgegeben wurden (BGH DNotZ 86, 78 [BGH 01.02.1985 - V ZR 180/83]; DNotZ 03, 696, 697 f [BGH 30.04.2003 - V ZR 100/02]; NJW-RR 03, 1432, 1433 [BGH 18.07.2003 - V ZR 431/02] zur fehlenden Verweisung auf andere Niederschrift nach § 13a I BeurkG).

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