a) Außerdienstliches.
Rn 27
Das außerdienstliche Verhalten eines Richters kann dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn es um ein Verhalten geht, welches Beziehung zu den Parteien oder dem Prozessstoff hat, über die Grenze des § 39 DRiG hinaus das Pflichtgemäße, Angemessene oder Übliche überschreitet (MüKoZPO/Feiber 2. Aufl, § 42 Rz 18) und die Parteien annehmen lässt, die sich darin manifestierte innere Einstellung werde kritiklos auf ihren Rechtsstreit übertragen. Ein Richter darf auch im Lichte des § 39 DRiG seine demokratischen Rechte mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln ausüben, ohne dem Mäßigungsverbot zuwiderzuhandeln. Auch darf er extensiv von Art 5 GG Gebrauch machen. Seine grds Eignung zum Richtersein stellt das nicht in Frage. Wird er jedoch als Richter mit Rechtsstreitigkeiten befasst, die konkret sachlich oder persönlich im Zusammenhang mit derartigen Betätigungen stehen, hat er das Vertrauen in seine Neutralität verspielt (MüKoZPO/Feiber 2. Aufl, § 42 Rz 22; BGH NStZ 16, 218 [BGH 12.01.2016 - 3 StR 482/15]: Facebook-Eintrag).
Rn 28
Eine zuvor abgegebene abstrakt wissenschaftliche oder sonstige öffentliche Äußerung des Richters zu einer konkret zu entscheidenden Rechtsfrage birgt hingegen keinen Ablehnungsgrund in sich, da er schon von Berufs wegen gezwungen ist, sich laufend eine Meinung zu bilden und dabei stets für neue und bessere Argumente offen zu bleiben (allgM; umfassend BVerfG NJW 11, 3637 [BVerfG 11.10.2011 - 2 BvR 1010/10]; BGH BGHReport 05, 1350). Derartige Äußerungen begründen auch nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn sie in einem interessengebundenen Rahmen getätigt werden (BGH NJW 02, 2396; aA E. Schneider WM 03, 848). Befangenheit ist indes anzunehmen, wenn die Publikation wissenschaftliche Kriterien vermissen lässt, die Art der Äußerung unangemessen oder tendenziös ist (Saarbr OLGR 09, 499), eine besondere persönliche Wertschätzung erkennen lässt (BGH NJW 19, 308 [BGH 07.11.2018 - IX ZA 16/17]) oder die Meinungsäußerung bezogen auf das noch laufende Verfahren erfolgt (allgM; diff BGH NJW 16, 1022 [BGH 13.01.2016 - VII ZR 36/14]). Ist die Entscheidung getroffen, entfällt die letzte Beschränkung wieder, auch im Hinblick auf ein künftiges Verfahren (BVerfGE 48, 46, 16). Nur aus dem Einzelfall lässt sich bewerten, wenn der Richter hinsichtlich des konkreten Streits im Vorfeld Rechtsauskünfte erteilt hat oder als Partei in einem früheren Rechtsstreit eine bestimmte Rechtsmeinung geäußert hat (BVerfG NJW 99, 414 [BVerfG 29.07.1998 - 1 BvR 1143/90]; BVerfGE 142, 5).
b) Dienstliches.
Rn 29
Das allgemeine dienstliche Verhalten des Richters bedarf ebf einer Handlung, die einen konkreten persönlichen oder sachlichen Bezug zu dem Streitstoff hat, um einen Ablehnungsgrund anzunehmen. Deswegen begründet die allgemeine (negative) Einschätzung eines Richters ein Misstrauen nicht (Musielak/Voit/Heinrich § 42 Rz 15), ebenso wenig der Vorwurf der fachlichen Unkenntnis oder fehlenden Fortbildung (s § 41 Rn 5). Die Handlung kann aber in der gleichzeitigen Mitwirkung in anderen Prozessen für oder gg eine Partei liegen, wenn in einem der Verfahren ein Ablehnungsgrund gegeben ist (übergreifende Ablehnungsgründe, s Rn 24).
c) Verhalten des Richters im konkreten Verfahren.
aa) Konfliktpotential.
Rn 30
Naturgemäß wird das Verhalten des Richters (Tun und Unterlassen) in den verschiedenen Verfahrenssituationen zum Anlass genommen, ihn abzulehnen (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 33), wobei die Praxis zeigt, dass Ablehnungen selten sind (s Rn 1).
Rn 31
Rechtsfindung erfolgt durch Kommunikation (s Rn 4), die häufig nicht eindeutig ist. Zu berücksichtigen ist immer, dass die Verfahrenssituationen und das Verhalten der Beteiligten singulär sind. Jeder Richter hat seine eigene Persönlichkeit, die auch bei gewissenhaftester Neutralität nicht völlig zurücktritt. Diese wird konfrontiert mit Parteien, die um die Durchsetzung ihrer Rechte streiten. Das ›Rechthaben-Wollen‹ lässt die Parteien zuweilen das Verhalten des Richters falsch interpretieren, wenn der Richter ihnen nicht folgt. Da der Richter auf entspr Agieren der Parteien seinerseits reagiert, entsteht leicht ein Konfliktpotential, welches die Partei, die sich benachteiligt fühlt, über einen Befangenheitsantrag zu lösen versucht. Erfahrungsgemäß kommt es fast ausschl in hochstreitigen Verfahren zu Befangenheitsgesuchen, wobei der Streit schon zuvor im Verhältnis der Parteien zueinander in den persönlichen Bereich übertragen worden ist. Die Konflikte sind nie gleich. Das angegriffene Verhalten des einzelnen Richters ebf nicht. Es gibt deswegen eine unabsehbare Zahl von Entscheidungen zur Befangenheit, die sich indes nie schablonenhaft auf den konkreten Befangenheitsantrag übertragen lassen. Da die Akzeptanz richterlicher Entscheidungen aber auf Vertrauen beruht, welches zumindest auch Vorhersehbarkeit impliziert, sind gleichwohl Kriterien zu entwickeln, anhand derer berechtigte von unberechtigten Ablehnungen abzugrenzen sind. Richtigerweise ist dabei von der Aufgabe des Richters im Zivilprozess auszugehen (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 33). Ungeachtet de...