Rn 32
Dieses Gebot setzt im persönlichen Umgang mit den Beteiligten voraus, dass sich der Richter in jeder Situation angemessen verhält. Das gilt auch, wenn eine Partei die Provokation sucht (Rn 8). Er hat hierauf adäquat zu reagieren. Zur Abwehr dürfen er oder der Dienstvorgesetzte sich indes einer Strafanzeige bedienen, ohne dass dieses die Befangenheit begründet (Kobl MDR 03, 524). Gleichwohl sollte von dieser Möglichkeit zurückhaltend Gebrauch gemacht werden (Stuttg NJW 77, 112 [OLG Stuttgart 30.06.1976 - 5 W 22/76]). Unangemessen und damit die Besorgnis der Befangenheit begründend ist es, wenn Schriftsätze einer Partei mit unsachlichen Randbemerkungen versehen werden (Kobl NJW 59, 906), ebenso, wenn sich in schriftlichen Entscheidungen oder sonstigen schriftlichen Äußerungen des Gerichts abfällige Wendungen finden, oder wenn eine fernmündlich vorgetragene Rechtsansicht mit ›Meinen sie das ernst‹ kommentiert wird (Kobl Beschl v 23.4.09 – 4 W 171/09 – Rz 20–22, juris; Frankf Beschl v 27.9.18 – 13 W 7/18, juris). Selbst wenn eine Partei ihrerseits den Richter herabsetzt, darf dieser sich in der Sache energisch zu Wehr setzen, nicht aber in der Form mit gleicher Münze heimzahlen. Freimütige oder saloppe Formulierungen sind ihm aber unbenommen (BFH Beschl v 8.10.10 II B 18/10, Orientierungssatz 1 – juris; Zweibr Beschl v 8.1.13 – 3 W 146/12 – Rz 7 – juris).
Rn 33
Auch mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme fordern dem Richter ein angemessenes Verhalten ab. Er hat Gereiztheit, Ungeduld und Unmutsäußerungen zu vermeiden (München Beschl v 28.3.11 – 1 W 240/11 – Rz 5 – juris; Zö/Vollkommer § 42 Rz 22a). Zu beachten ist aber, dass sein Verhalten hier situationsgebunden ist (LSG NRW NJW 03, 2933). Herablassende Mimik während des Parteivortrags kann für eine Ablehnung wg Besorgnis der Befangenheit einerseits schon genügen (OVG Lüneburg DRiZ 74, 194 [OVG Niedersachsen 04.01.1974 - IV B 8/73]), andererseits das ›Anbrüllen‹ einer Partei auf eine Ungehörigkeit nicht (KGR 00, 311). Ein Rechtsgespräch kann in aller Schärfe geführt werden, ohne dass hierin ein Ablehnungsgrund gesehen werden kann, in einer an sich harmlosen Bemerkung aber sehr wohl, wenn sie nicht situationsadäquat ist. Inhaltsgleiche Äußerungen in entspannter Atmosphäre führen nicht zur Besorgnis der Befangenheit, in gereizter schon. Jede generalisierende Betrachtung verbietet sich hier, wobei aber Äußerungen oder Gesten, die die Würde und Ehre einer Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten herabsetzen, in aller Regel die Ablehnung des Richters rechtfertigen.