Dr. Bernd Müller-Christmann
Gesetzestext
(1) 1Die Vernehmung einer Partei wird durch Beweisbeschluss angeordnet. 2Die Partei ist, wenn sie bei der Verkündung des Beschlusses nicht persönlich anwesend ist, zu der Vernehmung unter Mitteilung des Beweisbeschlusses von Amts wegen zu laden. 3Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(2) 1Die Ausführung des Beschlusses kann ausgesetzt werden, wenn nach seinem Erlass über die zu beweisende Tatsache neue Beweismittel vorgebracht werden. 2Nach Erhebung der neuen Beweise ist von der Parteivernehmung abzusehen, wenn das Gericht die Beweisfrage für geklärt erachtet.
A. Beweisbeschluss.
Rn 1
Ein förmlicher Beweisbeschluss ist nach Abs 1 stets und für jede Art der Parteivernehmung erforderlich, also auch dann, wenn die Partei im Termin anwesend ist und sofort vernommen werden kann. Damit wird für alle Beteiligten klargestellt, dass nicht nur eine Anhörung nach § 141 stattfinden soll. Eine Ausnahme ist auch nicht im Verfahren über Arrest und einstweilige Verfügung zu machen (Ddorf MDR 60, 850). Verstöße gegen das Erfordernis des Beweisbeschlusses sind gem § 295 I heilbar (BGH NJW 59, 1433), allerdings nur, wenn für die Parteien erkennbar war, dass eine Parteivernehmung stattgefunden hat.
Rn 2
Erlass, Inhalt und Änderung des Beschlusses richten sich nach den allgemeinen Regeln (§§ 358–360); eine Anfechtung findet nicht statt (§ 355 II). Der Beweisbeschluss muss erkennen lassen, auf welcher Grundlage (§§ 445, 447 oder § 448) er beruht. Außerdem ist wegen der Subsidiarität der Parteivernehmung (§ 445 Rn 5, § 448 Rn 2) das Beweisthema (§ 359 Nr 1) genau einzugrenzen. Nach § 349 I 1 bzw § 527 II 1 können auch der Vorsitzende der KfH und der vorbereitende Einzelrichter in der Berufungsinstanz eine Parteivernehmung anordnen. Die Anordnung sollte aber (wie die Durchführung) dem Kollegium vorbehalten bleiben, soweit sie, wie jedenfalls bei § 448, zT auch bei § 445 und § 447, eine Würdigung der bisher erhobenen Beweise voraussetzt.
B. Ladung.
Rn 3
Ist die zu vernehmende Partei bei Verkündung des Beweisbeschlusses anwesend, schließt sich die Beweisaufnahme sofort an. In anderen Fällen muss eine persönliche Ladung der Partei selbst (also nicht über den Prozessbevollmächtigten) unter Einhaltung der Ladungsfrist erfolgen. Eine Ladung durch Zustellung ist nicht mehr vorgeschrieben, aber zu empfehlen, weil bei fehlendem Ladungsnachweis und Ausbleiben der Partei §§ 446, 454 nicht angewendet werden können, folglich ein neuer Termin samt Zustellung der Ladung erforderlich wird. Mit der Ladung ist der Beweisbeschluss mitzuteilen.
C. Aussetzung des Beweisbeschlusses.
Rn 4
Abs 2, der eine Ergänzung zu § 360 darstellt, trägt der Subsidiarität der Parteivernehmung auch nach Erlass des Beweisbeschlusses Rechnung. Die Parteivernehmung kann so lange zurückgestellt werden, als Aussicht besteht, der streitige Sachverhalt könne durch andere Beweismittel aufgeklärt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Parteivernehmung vAw oder auf Antrag angeordnet war. Bei nachträglich angebotenen Beweismitteln ist allerdings zunächst ihre Zulassung unter Beachtung der Verspätungsregeln (§ 296) zu prüfen. Bestehen gegen die Zulässigkeit der neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel keine Bedenken, kann die Parteivernehmung ausgesetzt werden. Die Aussetzung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts; sie sollte nur angeordnet werden, wenn die begründete Aussicht besteht, dass sich durch die Erhebung des neu angebotenen Beweises die Parteivernehmung erübrigen wird (St/J/Berger Rz 11). Bei Zurückstellung der Parteivernehmung muss deren Anordnung nicht ausdrücklich aufgehoben werden. Der Beschl, der die Erhebung neuer Beweise anordnet, sollte zur Klarstellung auf die Aussetzung der Parteivernehmung hinweisen.
Rn 5
Nach Erhebung der neuen Beweise ist nach S 2 zwingend (BGH NJW 74, 56 [BGH 24.10.1973 - VIII ZR 111/72]) von der Parteivernehmung abzusehen, wenn das Gericht die Beweisfrage für geklärt erachtet. Die Parteivernehmung ist dann unzulässig. Wird der Beweis als nicht geführt angesehen, so ist ein Hinweis gem § 139 geboten, damit der Beweisführer seinen Antrag auf Parteivernehmung wiederholen kann (Oldbg NJW-RR 90, 125; BeckOKZPO/Bechteler Rz 6). Eine Wiederholung des Antrags ist nicht in jedem Fall erforderlich (BGH NJW 91, 1290 f [BGH 28.11.1990 - XII ZR 1/90]).