Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 8
Die AG wird grds – auch bei Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder (§§ 246 II 3, 249 I; BGHZ 122, 342, 344 f) – durch den Vorstand (§ 78 I AktG), ggf einen Notvorstand (§ 85 AktG), vertreten. Erheben Aktionäre Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage, wird die Gesellschaft durch Vorstand und Aufsichtsrat in Gesamtvertretung vertreten (§§ 246 II 2, 249 I, 275 IV AktG). In Prozessen gegenwärtiger oder früherer Vorstandsmitglieder einschließlich ihrer (Versorgungsbezüge verlangender) Witwen wird die Gesellschaft – gleich ob die Organstellung oder das Dienstverhältnis betroffen ist – durch den Aufsichtsrat vertreten (§ 112 AktG; BGH BGHR 07, 16; DB 13, 1405 Rz 22; BGHZ 157, 151, 153 ff = NJW 04, 1528; BGHZ 103, 213, 216 f = NJW 88, 1384; BGH NJW 97, 2324; BAG NJW 02, 1444). Die Vertretung der Aktiengesellschaft im Rechtsstreit mit dem Vorstand ist dem Aufsichtsrat als Gremium zugewiesen, das seinen Willen dadurch bildet, dass es einen Beschluss fasst. Dieser Vorgang einheitlicher Willensbildung kann nicht durch die Entscheidung eines Aufsichtsratsmitglieds oder des Aufsichtsratsvorsitzenden ersetzt werden. Erteilt der Aufsichtsratsvorsitzende im Rechtsstreit mit dem Vorstand eine Prozessvollmacht, ohne zuvor die Einwilligung des Aufsichtsrats eingeholt zu haben, kann der Aufsichtsrat diese Handlung und die bisherige Prozessführung durch Mehrheitsbeschluss genehmigen (BGH DB 13, 1405 Rz 22 f). Diese Vertretungsregel gilt auch im Prozess des ehemaligen Geschäftsführers einer mit einer AG verschmolzenen GmbH (BGHZ 157, 151, 153 ff = NJW 04, 1528). Eine KGaA wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter vertreten (§§ 278 II AktG, 125, 161 II, 170 HGB). In einem Rechtsstreit mit den Komplementären wird die KGaA durch den Aufsichtsrat (BGH MDR 05, 583 [BGH 29.11.2004 - II ZR 364/02]) bzw von der Hauptversammlung bestellte Vertreter vertreten (§ 287 II 1 AktG). Die GmbH wird durch ihre Geschäftsführer (§ 35 I GmbHG), ggf einen Notgeschäftsführer (analog §§ 29 BGB, 85 AktG; BayObLG NJW 81, 995 f), vertreten. Legt der einzige Geschäftsführer einer GmbH sein Amt nieder, ist, auch wenn die Klage nach Eintritt der Führungslosigkeit wirksam einem Gesellschafter zugestellt wurde, eine gegen die Gesellschaft gerichtete Klage mangels gesetzlicher Vertretung unzulässig. Hier bedarf es der Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57) oder eines Notgeschäftsführers (§ 29 BGB; BGH RR 11, 115 Rz 12, 13, 19). Ist ein (fakultativer) Aufsichtsrat eingerichtet (§ 52 GmbHG), vertritt er die GmbH im Rechtstreit mit einem (auch ausgeschiedenen) Geschäftsführer (BGH MDR 04, 284); ist kein Aufsichtsrat vorhanden und auch kein besonderer Vertreter bestellt (§ 46 Nr 8 GmbHG) worden, kommt es zu der misslichen Situation, dass die Gesellschaft in einem solchen Verfahren von dem verbliebenen Geschäftsführer vertreten wird (BGH NJW-RR 92, 993 [BGH 24.02.1992 - II ZR 79/91]). Hat der einzige Geschäftsführer sein Amt niedergelegt, wird eine GmbH ungeachtet § 35 Abs 1 S 2 GmbHG prozessunfähig (BGH DB 10, 2719 Rz 12 ff). Fehlt nach Abberufung oder Amtsniederlegung ein vertretungsberechtigter Geschäftsführer und bestellen die Gesellschafter keinen neuen, bleibt dem Kl, falls nicht wegen Gefahr im Verzuge § 57 eingreift, nur der Weg, bei dem zuständigen Registergericht die Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 29 BGB) anzuregen (BGH DB 10, 2719 Rz 14; Dresd NJW-RR 00, 579). Auf diese Möglichkeit muss das Gericht die Parteien hinweisen (BGH DB 10, 2719 Rz 19). Selbst wenn ein Aufsichtsrat besteht, wird die GmbH iRe Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage von dem Geschäftsführer vertreten (BGH GmbHR 62, 134). Wird die Unwirksamkeit der Bestellung eines Geschäftsführers gerügt, vertritt die GmbH die Person, die im Falle ihres Obsiegens als Geschäftsführer anzusehen wäre (BGHZ 36, 207, 209 = NJW 62, 538). Gesellschafter einer Personengesellschaft können bei der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen ihren organschaftlichen Vertreter in entsprechender Anwendung von §§ 46 Nr. 8 Hs 2 GmbHG, 147 Abs 2 S 1 AktG einen besonderen Vertreter bestellen (BGH ZIP 10, 2345 Rz 8). Die Genossenschaft wird durch den Vorstand vertreten (§ 24 I GenG), ggf einen Notvorstand (analog §§ 29 BGB, 85 AktG). In Aktiv- und Passivprozessen mit amtierenden oder ehemaligen Vorständen ist der Aufsichtsrat zur Vertretung berufen (§ 39 I GenG; BGHZ 130, 108, 111). Für Prozesse mit Aufsichtsratsmitgliedern ist von der Generalversammlung ein besonderer Vertreter (§ 39 III GenG) zu bestellen. Die Vertretung bei Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Generalversammlung nehmen der Vorstand, sofern er nicht selbst klagt, und der Aufsichtsrat gemeinsam wahr (§ 51 III 2, 96 GenG). Werden in einer Beschlussmängelstreitigkeit die den Beschluss als Gesellschafterin anfechtende Kläger-GmbH und die Beklagten-GmbH, in deren Gesellschafterversammlung der Beschluss gefasst wurde, durch denselben Geschäftsführer vertreten, so ist die Klage unzulässig (Celle RR 17, 1120). Gibt der Kläger, der...