I. Allgemeines.
Rn 22
Die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschl des Berufungsgerichts soll nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 14/4722, 64) effizient und bürgerfreundlich sein. Außerdem führe das Zurückweisungsverfahren wegen des Fortfalls der mündlichen Verhandlung (Nr 4) für den Berufungskläger zu einer Kostenersparnis. Schließlich entstünden erhebliche Effizienzgewinne für die Gerichte, weil das Berufungsgericht mit dem Zurückweisungsbeschluss ein Instrument in die Hand bekomme, welches es ihm erlaube, substanzlose Berufungen schnell, ohne den unnötigen Zeitaufwand einer mündlichen Verhandlung und ohne doppelte Aktenbearbeitung bei Eingang der Sache und bei der Terminvorbereitung zu erledigen.
Rn 23
Die Zurückweisung der Berufung durch Beschl setzt zusätzlich voraus, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist; außerdem muss die
Begründung des Beschl die in § 540 I Nr 1 genannten Angaben enthalten und erkennen lassen, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erreichen will (BGH MDR 16, 1402, 1403 [BGH 21.09.2016 - VIII ZR 188/15]), weil er nunmehr wie ein Berufungsurteil anfechtbar ist (Abs 3). Trotz der in Rn 22 genannten, im Interesse der Parteien und der Gerichte liegenden Ziele ist die Zurückweisung der Berufung durch Beschl nicht zwingend, sondern erfolgt auf der Grundlage einer Soll-Entscheidung. Gleichwohl ist das Berufungsgericht nicht völlig frei in seiner Entscheidung, welches Verfahren es wählt; wenn die Voraussetzungen des S 1 Nr 1 bis 4 vorliegen, darf es nur dann durch Urt entscheiden, wenn sich dadurch das Verfahren nicht verzögert (BTDrs 17/6406, 8).
Rn 24
Weder die Klageerweiterung noch die Erhebung einer Widerklage im Berufungsrechtszug hindern den Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses; mit ihm verlieren beide ihre Wirkung (BGH MDR 15, 49).
II. Voraussetzungen (S 1).
1. Offensichtliche Erfolglosigkeit der Berufung (Nr 1).
Rn 25
Die – zulässige – Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, wenn sie nach dem Inhalt der gewechselten Schriftsätze (Berufungsbegründung, Berufungserwiderung, Replik) unbegründet und nicht zu erwarten ist, dass ihr durch weiteren Vortrag des Berufungsklägers und/oder durch Erörterungen in der mündlichen Verhandlung Erfolg beschert werden kann. Das erstinstanzliche Urt muss sich wenigstens im Ergebnis als zutr erweisen.
Rn 26
Im Gegensatz zu der früheren Regelung muss die Erfolglosigkeit der Berufung nunmehr offensichtlich sein. Wann das der Fall ist, ist unklar. Nach der Rspr des BVerfG soll ›offensichtlich‹ bedeuten, dass die fehlende Erfolgsaussicht besonders deutlich ins Auge springt (BVerfG NJW 03, 281 [BVerfG 05.08.2002 - 2 BvR 1108/02]). Nach der Gesetzesbegründung muss die Erfolglosigkeit nicht auf der Hand liegen, sondern soll das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (BTDrs 17/6406, 9). Da es – gerade auch aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts – eine mehr oder weniger fehlende Aussicht auf Erfolg nicht gibt, ist davon auszugehen, dass mit der Neuregelung keine qualitative Änderung des Prüfungsumfangs und der Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts beabsichtigt ist. Eine bloß summarische Prüfung der Erfolgsaussicht reicht also keineswegs aus; vielmehr gelten insoweit dieselben Anforderungen wie für eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urt (Kobl NJW 03, 2100, 2101).
Rn 27
Macht der Berufungskläger eine Rechtsverletzung durch das erstinstanzliche Gericht geltend (§ 520 III Nr 2), hat die Berufung dann offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, wenn das Berufungsgericht die Rechtsansichten des Vordergerichts für zutr oder zwar für falsch hält, aber aus anderen Gründen auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu demselben Ergebnis gelangt (Frankf NJW 04, 165, 167 [OLG Frankfurt am Main 05.10.2003 - 16 U 116/03]; Hambg NJW 06, 71).
Rn 28
Greift der Berufungskläger die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts an (§ 520 III Nr 3), fehlt dem Rechtsmittel die Erfolgsaussicht nicht, wenn das Vorbringen auch nur Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen erweckt; ob sie begründet sind, darf das Berufungsgericht in diesem Verfahrensstadium nicht klären.
Rn 29
Trägt der Berufungskläger neue Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 520 Rn 45 ff) vor und sind diese zuzulassen (§§ 529 I Nr 2, II, 531 II), fehlt der Berufung nur dann offensichtlich die Erfolgsaussicht, wenn sie zu keiner anderen Entscheidung als der angegriffenen führen (BGH FamRZ 16, 2010).
Rn 30
Wurde dem Berufungskläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt, scheidet idR die Annahme der – erst recht offensichtlichen – Erfolglosigkeit des Rechtsmittels aus; denn nach § 114 darf Prozesskostenhilfe nur bei hinreichender Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung bewilligt werden (BTDrs 14/4722, 97).
2. Keine grundsätzliche Bedeutung (Nr 2).
Rn 31
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schließt die Zurückweisung der Berufung durch Beschl aus. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen erfordert das öffentliche, also das über die Interessen der Parteien hinausgehende Interesse die Kl...