Kurzbeschreibung
Seit dem 27.10.2011 besteht die Möglichkeit, gem. § 522 Abs. 3 ZPO gegen einen - bisher unanfechtbaren - Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts ein Rechtsmittel, die Nichtzulassungsbeschwerde, einzulegen (Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung v. 21.10.2011, BGBl 2011 I S. 2082). Seit 1.1.2022 besteht für Rechtsanwälte eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA).
Voraussetzungen
Seit dem 1.1.2002 war das Berufungsgericht in Zivilsachen nach § 522 Abs. 2 ZPO verpflichtet, eine Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, wenn es davon überzeugt ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert. Diese Möglichkeit der Zurückweisungsbeschlüsse bestand unabhängig vom Streitwert und ohne mündliche Verhandlung. Dieser Beschluss war unanfechtbar und bewirkte unmittelbar die Rechtskraft des angefochtenen Urteils.
Anliegen des Gesetzgebers war es im Jahr 2002, offensichtlich unbegründete Berufungen möglichst frühzeitig zu entscheiden und dadurch das Berufungsverfahren in eindeutig gelagerten Fällen im Interesse des Berufungsgegners zu beschleunigen. In den Folgejahren haben die Land- und Oberlandesgerichte in sehr unterschiedlicher Weise von dem Zurückweisungsbeschluss Gebrauch gemacht, obwohl es für die Gerichte keinen Ermessensspielraum gibt. Die Quoten der Erledigung durch Zurückweisungsbeschluss wiesen gravierende regionale Unterschiede im Bundesgebiet auf.
Neben Rechtsschutzbedenken bestand die Befürchtung einer "Zersplitterung" der Zivilrechtspflege, die unter Vertrauensschutzgesichtspunkten vom Gesetzgeber als bedenklich und problematisch eingeschätzt wurde.
Mit dem Gesetz zur Änderung des § 522 der Zivilprozessordnung v. 21.10.2011 (BGBl 2011 I S. 2082), dass am 27.10.2011 in Kraft getreten ist, wurde § 522 ZPO dahingehend geändert, dass Zurückweisungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 2 ZPO in gleicher Weise anfechtbar sind wie Berufungsurteile. Ab einem Streitwert von 20.000 EUR wird als statthaftes Rechtsmittel gegen einen Zurückweisungsbeschluss die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH eingeführt.
Mit dieser Gesetzesänderung soll das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
- die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
- die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
- eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
In § 522 Abs. 3 ist nun festgelegt, dass gegen den Beschluss nach Abs. 2 Satz 1 dem Berufungsführer das Rechtsmittel zusteht, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre. Damit besteht bei einem Beschwerdewert von über 20.000 EUR die Möglichkeit, Zurückweisungsbeschlüsse genauso anzufechten wie Berufungsurteile. Die bislang uneinheitliche Praxis bei der Anwendung des § 522 Abs. 2 ZPO wirkt sich dann auf die Anfechtbarkeit der Entscheidung der Berufungsgerichte nicht mehr aus.
Die Vorschrift ist darüber hinaus nun noch deutlicher als zwingende Vorschrift formuliert, um klarzustellen, dass die Berufungsgerichte keinen Ermessensspielraum bei ihrer Entscheidung haben, wenn die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH innerhalb einer Frist von einem Monat ab Zustellung des Beschlusses einzulegen, § 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt nach § 78 Abs. 1 ZPO.
Der Bundesgerichtshof hat auf die Zulassungsbeschwerde hin zu prüfen, ob in der durch Zurückweisungsbeschluss entschiedenen Berufungssache die Revisionszulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen, die nach § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO eine Entscheidung durch Zurückweisungsbeschluss ausgeschlossen hätten. Liegen diese Zulassungsgründe vor, ist die Revision zuzulassen. Der BGH prüft in dem anschließenden Revisionsverfahren nach § 544 Abs. 6 ZPO den Zurückweisungsbeschluss auf die Verletzung des sachlichen und formellen Rechts (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 17/5334, S. 10). Im oberen Streitwertsegment wird damit die höchstrichterliche Kontrolle über die Spruchpraxis der Berufungsgerichte in vollem Umfang wieder hergestellt.
Bei einem Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde kann der BGH in der Regel den Rechtsstreit nicht selbst entscheiden, es sei denn, es geht in seltenen Ausnahmefällen ausschließlich um Rechtsfragen. Das Berufungsgericht erlässt den Zurückweisungsbeschluss in der Regel ohne mündliche Verhandlung und auch ohne eine Stellungnahme des Berufungsgegners, so dass keine die erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ergänzende Sachaufklärung im Berufungsrechtszug stattfindet. Ist es danach notwendig, wei...