Rn 25
Da nur die Gebote der prozessualen Billigkeit und der Waffengleichheit das Institut der Anschlussberufung rechtfertigen (Rn 2), besteht das Bedürfnis, dem Berufungsbeklagten die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu seinen Gunsten trotz Absehens von der eigenen Berufungseinlegung zu ermöglichen, nur so lange, wie für ihn die Gefahr einer Abänderung zu seinen Ungunsten besteht. Deshalb verliert die – zulässige – Anschlussberufung kraft Gesetzes ihre Wirkung, wenn die Berufungsinstanz ohne Entscheidung in der Sache selbst endet. Verfolgt der Berufungsbeklagte sein Rechtsmittel trotz Wirkungsverlustes weiter, muss das Berufungsgericht die Anschlussberufung als unzulässig verwerfen (BGH NJW 00, 3215, 3216 [BGH 06.07.2000 - VII ZB 29/99]).
Rn 26
Mit der Zurücknahme der Berufung durch den Berufungskläger endet die Wirkung der Anschließung (BGH WM 20, 1530, 1532). Zu Form, Frist und Rechtsfolgen der Zurücknahme wird auf die Erläuterungen in § 516 Rn 2 ff verwiesen. Wird die Berufung nur tw zurückgenommen (§ 516 Rn 17), hat dies keinen Einfluss auf die Anschlussberufung.
Rn 27
Die Anschlussberufung verliert auch dann ihre Wirkung, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird (§ 522 I 2). Zu den Voraussetzungen für die Verwerfung wird auf die Ausführungen in § 522 Rn 2 ff verwiesen. Der Wirkungsverlust tritt mit der Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung (vgl § 522 Rn 17) ein. Der Berufungsbeklagte kann die Verwerfungsentscheidung nicht mit der Begründung anfechten, die Berufung des Gegners sei zulässig gewesen (BGHZ 139, 12, 13 f).
Rn 28
Schließlich endet die Wirkung der Anschließung einer in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterung und einer zweitinstanzlichen Widerklage mit der Zurückweisung der Berufung durch Beschl nach § 522 II (BGH WM 16, 2342). Zu dieser Art der Beendigung des Berufungsverfahrens wird auf die Erläuterungen in § 522 Rn 22 ff verwiesen.
Rn 29
Neben diesen gesetzlich geregelten Fällen des Wirkungsverlustes verliert die Anschlussberufung in allen weiteren Fällen ihre Wirkung, in denen die Berufungsinstanz ohne Sachentscheidung endet. Es sind dies der Verzicht auf die bereits eingelegte Berufung (BGHZ 124, 305, 308), die Klagerücknahme und der Abschluss eines die Instanz beendenden Vergleichs.
Rn 30
Kein Wirkungsverlust tritt ein, wenn die Parteien die Hauptsache oder die Berufung übereinstimmend für erledigt erklären; in diesen Fällen kann nämlich nach § 91a die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu Lasten des Berufungsbeklagten abgeändert werden, so dass ihm die Möglichkeit einer Abänderung zu seinen Gunsten (Rn 2) erhalten bleiben muss (BGH NJW 86, 852). Die einseitige Erledigungserklärung und das Anerkenntnis der Klageforderung führen ebenfalls nicht zum Ende der Wirkung der Anschließung, weil sie nicht unmittelbar zur Beendigung des Berufungsverfahrens führen.
Rn 31
Der Wirkungsverlust tritt kraft Gesetzes ein. Spricht ihn das Berufungsgericht in der Entscheidung zur Berufung oder in einem gesonderten Beschl aus, hat dies nur deklaratorische Wirkung und ist dementsprechend nicht anfechtbar (BGHZ 139, 12, 15). Anfechtbar ist jedoch ein Beschl, mit dem das Berufungsgericht den Wirkungsverlust feststellt, ohne dass die Voraussetzungen hierfür vorliegen (BGHZ 109, 41, 46).
Rn 32
Die Kosten einer wirkungslos gewordenen Anschlussberufung fallen dem Berufungskläger zur Last (BGH NJW-RR 05, 727, 728 [BGH 26.01.2005 - XII ZB 163/04]; 06, 1147 f [BGH 07.02.2006 - XI ZB 9/05]), auch wenn der Wirkungsverlust auf Grund einer Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschl nach § 522 II eingetreten ist (Frankf NJW 11, 2671, 2672 [OLG Hamburg 26.11.2010 - 1 U 163/09]; Hamm NJW 11, 1520, 1521 [OLG Hamm 11.01.2011 - I-7 U 40/10]; Köln NJW-RR 11, 1435 f [OLG Köln 27.06.2011 - 17 U 101/10]; Celle MDR 13, 1243). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Gründe für die Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung (Rn 26 ff) bereits im Zeitpunkt der Anschließung vorlagen (BGHZ 80, 146, 149 für die Anschlussrevision) oder diese unzulässig ist (BGH NJW-RR 05, 727, 728) oder zurückgenommen wird; in diesen Fällen trägt der Berufungsbeklagte die Kosten im Verhältnis des Werts der Anschlussberufung zu dem Gesamtstreitwert des Berufungsverfahrens.
Rn 33
Abs 4 gilt entsprechend in den Fällen der Klageerweiterung und der Erhebung einer Widerklage in der Berufungsinstanz (BGH MDR 15, 49).