Rn 11
Auch eine erstinstanzlich noch nicht erhobene Zulässigkeitsrüge kann zweitinstanzlich erstmals nur fristgerecht oder mit genügender Entschuldigung (Rn 7, 8) geltend gemacht werden (Rn 6; BGH NJW-RR 93, 1021). Neu ist eine Rüge auch dann, wenn sie erstinstanzlich zunächst erhoben war, dann aber fallengelassen wurde und mit der Berufung wieder aufgegriffen wird (BGH NJW 90, 378 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88]; Frankf MDR 92, 189 [BGH 25.04.1991 - I ZR 134/90]). Unabhängig von der rechtzeitigen Geltendmachung in 2. Instanz ist eine neue Rüge bereits dann präkludiert, wenn sie der Partei in 1. Instanz möglich gewesen wäre und ihre Geltendmachung erst mit der Berufung nicht genügend entschuldigt wird. Hierfür genügt es nicht, dass die Partei die Rüge erstinstanzlich für entbehrlich gehalten hat oder halten durfte, weil ein Sacherfolg zu erwarten war. § 537 steht einem prozesstaktisch motivierten ausdrücklichen oder stillschweigendem Vorbehalt der Rüge entgegen (Frankf NJW 69, 380, 381; Musielak/Voit/Ball § 535 Rz 7). Unverschuldet ist die Geltendmachung erst in 2. Instanz, wenn der Sachverhalt, auf den die Rüge gestützt wird, erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz entstanden ist (BGH NJW 81, 2646), so zB in den Fällen der §§ 111, 112 III (MüKoZPO/Rimmelspacher § 535 Rz 12), wobei indes das Unzureichendwerden einer geleisteten Sicherheit durch die mit Einlegung der Berufung Kostenerhöhung nicht genügt (BGH NJW 70, 1791; 81, 2646 [BGH 01.04.1981 - VIII ZR 159/80]). Da § 1031 I die Erhebung der Schiedsvereinbarungsabrede bereits vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache vorschreibt, kommt diese als neue Rüge in 2. Instanz grds nicht in Betracht (MüKoZPO/Rimmelspacher § 535 Rz 11).
Rn 11a
Wird eine in der Berufungsinstanz mögliche und zumutbare Verfahrensrüge nicht erhoben, ist diese ggf auch als Revisionsgrund ausgeschlossen. Der Subsidiaritätsgrundsatz fordert, dass ein Beteiligter über das Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engeren Sinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen muss, um eine Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine solche zu verhindern (st Rspr; BGHZ 219, 77). Dieser Grundsatz ist nicht auf das Verhältnis zwischen Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit beschränkt, sondern gilt auch im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren (BGH NJW 20, 1740 [BGH 28.01.2020 - VIII ZR 57/19]). Denn einer Revision kommt bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten auch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden vermeidbar zu machen. Daher sind für ihre Beurteilung die gleichen Voraussetzungen maßgebend, die nach der Rspr des BVerfG zum Erfolg einer Verfassungsbeschwerde führen (BGH NJW-RR 21, 1455 [BGH 03.08.2021 - VIII ZR 88/20]; Weißenberger AnwBl 23, 36).