Rn 3
Die Beschwerde kann auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden (Abs 2 S 1). Angriffs- oder Verteidigungsmittel ist jedes sachliche und prozessuale Vorbringen, das der Durchsetzung oder der Abwehr des geltend gemachten Anspruchs dient, zB Tatsachenbehauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden (vgl die Legaldefinition in § 282 I). Die Vorschrift soll deutlich machen, dass die Beschwerdeinstanz – anders als das Berufungsverfahren, vgl §§ 513 I, 529 I, 531 – auch nach der ZPO-Reform eine vollwertige zweite Tatsacheninstanz geblieben ist (vgl auch BGH WM 07, 810 Rz 20; BGHZ 177, 218 Rz 14 = NJW 08, 3067; MDR 13, 1001 Rz 7). Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum ZPO-Reformgesetz rechtfertigt sich dieser Unterschied damit, dass den im Beschwerdeverfahren angefochtenen Entscheidungen idR kein dem erstinstanzlichen Urteilsverfahren vergleichbares förmliches Verfahren mit eingehender Tatsachenfeststellung und ausf begründeter Abschlussentscheidung zugrunde liegt. Das Beschwerdegericht müsse daher wie nach altem Recht die Möglichkeit haben, neue Tatsachen und Beweise uneingeschränkt zu berücksichtigen (BTDrs 14/4722, 113; vgl auch BGH NZI 08, 391 Rz 6). Das gilt auch für Tatsachen, die nach der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten sind. Neue Anträge sind uneingeschränkt zulässig, weil auch die den Antrag begründenden, möglicherweise neuen Tatsachen – vom Ausnahmefall einer versäumten Frist (vgl Abs 3) abgesehen – nicht zurückgewiesen werden können (BGH NZI 07, 166 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 81/06] Rz 20). Voraussetzung ist allerdings, dass die sofortige Beschwerde unabhängig von diesen neuen Anträgen zulässig ist (BGH NJW-RR 11, 499 [BGH 16.11.2010 - VI ZB 79/09] Rz 3). Ein Gehörsverstoß (Art 103 I GG), welcher dem Ausgangsgericht unterlaufen ist, kann durch die Nachholung des rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren geheilt werden (BGH WM 09, 1662 Rz 11; WM 11, 663 Rz 10; LG Dresden ZIP 17, 2273, 2274).
Rn 4
Maßgeblich für die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist damit grds die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (BGH NZI 08, 391 Rz 6; WM 10, 149 Rz 9). Anderes gilt dann, wenn das anzuwendende materielle Recht einen bestimmten (anderen) Zeitpunkt für maßgeblich hält (BGH NJW 12, 1215 Rz 20; vgl auch BGHZ 169, 17 Rz 10 = NJW 06, 3553, 3555 einerseits, BGH NZI 08, 391 Rz 6 andererseits zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens). Auch verfahrensrechtliche Einschränkungen dieses Grundsatzes sind zu beachten. Bei einer Kostenentscheidung nach § 91a kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung an (vgl die Erl zu § 91a). Dabei bleibt es auch im Beschwerdeverfahren. Neues Vorbringen ist hier folglich nur insoweit zulässig, als es auch in 1. Instanz zu berücksichtigen gewesen wäre. Im Wiedereinsetzungsverfahren (§§ 232 ff) müssen die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (§ 236 I) innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 vorgebracht werden. Nach Fristablauf ist nur noch die Erläuterung oder Ergänzung fristgerechten Vortrags zulässig (BGH NJW 07, 3212 Rz 8; NJW 14, 225 [BGH 12.09.2013 - III ZB 7/13] Rz 9; NJW 17, 3309 [BGH 27.07.2017 - III ZB 76/16], Rz 9); auch dies ändert sich im Beschwerdeverfahren nicht. Die Zuschlagsbeschwerde (§ 93 ZVG) kann schließlich ebenfalls nicht auf neues, im Zeitpunkt des Zuschlags dem Vollstreckungsgericht noch nicht bekanntes Vorbringen gestützt werden (BGHZ 44, 138, 143 = NJW 1965, 2107; BGH WM 06, 813 Rz 17 f; WM 13, 1223 Rz 8). Eine Antragsänderung ist uneingeschränkt zulässig (BGH NZI 07, 166, 167 Rz 20). Voraussetzung ist jedoch eine für sich genommene zulässige Beschwerde (BGH NJW-RR 11, 499 [BGH 16.11.2010 - VI ZB 79/09] Rz 3). Der Beschwerdeführer darf also nicht nur einen neuen Antrag zur Überprüfung stellen. Eine allein auf einen neuen Antrag gestützte Beschwerde hätte nicht die Beseitigung der Beschwer durch den angefochtenen Beschl zum Ziel.