Gesetzestext

 

(1) 1Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. 2§ 318 bleibt unberührt.

(2) 1Das Beschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. 2Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(3) Erachtet das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet, so kann es dem Gericht oder Vorsitzenden, von dem die beschwerende Entscheidung erlassen war, die erforderliche Anordnung übertragen.

(4) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht durch Beschluss.

A. Bedeutung der Norm und Gesetzgebungsgeschichte.

 

Rn 1

§ 572 regelt den Gang des Beschwerdeverfahrens. Die durch das ZPO-Reformgesetz neu eingeführte generelle Abhilfebefugnis des Ausgangsgerichts soll dem Ausgangsrichter (judex a quo) die Gelegenheit geben, seine Entscheidung nochmals zu überprüfen, sie kurzerhand zurückzunehmen oder zu berichtigen. Sie dient damit der Selbstkontrolle des Gerichts und erhält dem Betroffenen die Instanz, was insb in den Fällen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sachgerecht ist. Zugleich verkürzt sie das Verfahren und entlastet das Beschwerdegericht, weil dieses mit der Korrektur von Fehlern, die das Ausgangsgericht selbst erkennt, oder mit der Nachholung des rechtlichen Gehörs von vornherein nicht befasst wird. Das Verfahren kann auf diese Weise trotz Fehlerhaftigkeit seinen endgültigen Abschluss in der 1. Instanz finden (BTDrs 14/4722, 114; BGH FamRZ 17, 755 Rz 13; OLG Koblenz FamRZ 17, 1250). Die Abhilfebefugnis gilt auch für Entscheidungen des Rechtspflegers (§ 11 I RPflG). Zuständig für die Entscheidung über Abhilfe oder Nichtabhilfe ist der Rechtspfleger selbst (BTDrs 14/4722, 114). Eine Abhilfe ist nur dann von Rechts wegen ausgeschlossen, wenn das Ausgangsgericht an die von ihm erlassene Entscheidung gebunden ist. Das ist insb dann der Fall, wenn sich die sofortige Beschwerde gegen Zwischenurteile (zB gem § 387 im Zwischenstreit über eine Zeugnisverweigerung) oder eine in einem Endurteil enthaltene, aber selbstständig anfechtbare Kostenentscheidung (§ 99 II) richtet; denn das Gericht ist an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden (§ 318; vgl Abs 1 S 2 sowie BTDrs 14/4722, 115).

B. Verfahren vor dem Ausgangsgericht.

I. Prüfung der Ausgangsentscheidung.

 

Rn 2

Das Ausgangsgericht (Richter, Kammer oder Rechtspfleger) hat die Zulässigkeit und die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zu prüfen. Dabei hat es sich mit etwaigem neuen Vorbringen der Beschwerdebegründung (vgl § 571 II 1) auseinanderzusetzen. Erforderlichenfalls ist sogar Beweis zu erheben (BTDrs 14/4722, 115). Bis dahin fehlerhaft übergangenes tatsächliches Vorbringen im Ausgangsverfahren ist erst recht zu berücksichtigen. Begnügt sich das Ausgangsgericht mit einem Formularbeschluss, obwohl die Beschwerde erhebliches Vorbringen enthält, liegt darin nach ständiger obergerichtlicher Rspr ein schwerer Verfahrensfehler, welcher die Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht rechtfertigt (Frankf OLGR 04, 116; Jena OLGR 05, 203; Ddorf FamRZ 06, 1551). Der Verpflichtung, die Beschwerdebegründung zur Kenntnis zu nehmen und sie zu würdigen, darf sich das Ausgangsgericht nicht dadurch entziehen, dass es eine zunächst vom Beschwerdeführer nicht begründete sofortige Beschwerde trotz Ankündigung einer Begründung ohne weiteres Zuwarten dem Beschwerdegericht vorlegt (Kobl FamRZ 08, 288f). Ob eine ohne Begründung eingereichte Beschwerde nur dann nicht sofort vorgelegt werden kann, wenn der Beschwerdeführer eine Begründung ankündigt oder sogar um Gewährung einer Begründungsfrist bittet, oder ob mindestens der Ablauf der Beschwerdefrist abgewartet werden muss, wird unterschiedlich gesehen (Kobl FamRZ 08, 288 einerseits, Naumbg OLGR 06, 327 andererseits; vgl auch Ddorf MDR 14, 1410: Wenn der Beschwerdeführer eine Begründung ankündigt, darf nicht vorgelegt werden, ohne zuvor eine Begründungsfrist zu setzen oder mitzuteilen, dass demnächst entschieden werde). Ein neuer Antrag oder Hilfsantrag ist im Abhilfeverfahren nicht zu berücksichtigen, weil eine zu überprüfende Ausgangsentscheidung fehlt; über den neuen Antrag hat vielmehr allein das Beschwerdegericht zu entscheiden (BGH NZI 07, 166, 167 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 81/06] Rz 20; s.u.). Vor einer Abhilfeentscheidung ist dem Gegner rechtliches Gehör zu gewähren. Wegen der hierfür erforderlichen Zeit hat der Gesetzgeber die Wochenfrist des § 571 Hs 2 aF, innerhalb derer die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt werden musste, durch das Wort ›unverzüglich‹ ersetzt (BTDrs 14/47722, 115).

II. Abhilfe.

 

Rn 3

Die Entscheidung darüber, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen, ergeht durch Beschl. Hilft das Ausgangsgerichts (vollständig) ab, kann diese Entscheidung vom Beschwerdegegner angefochten werden. Es gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 567 ff). Der Abhilfebeschluss muss daher begründet und dem B...

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