I. Allgemeines.
Rn 5
Im Rahmen der Begründetheit der Rechtsbeschwerde ist zu prüfen, ob die Erstbeschwerde zulässig war. War die sofortige Beschwerde unzulässig, fehlt es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht (BGH NJW 04, 1112; NZI 04, 447 [BGH 06.05.2004 - IX ZB 104/04]). Die Rechtsbeschwerde führt schon aus diesem Grund zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die sofortige Beschwerde bereits unstatthaft, die Erstentscheidung also unanfechtbar war. In solchen Fällen ist die Rechtsbeschwerde ebenfalls unzulässig (s.o.). Zu prüfen ist weiter das Verfahren, welches der Beschwerdeentscheidung vorausging. Schließlich ist die Begründetheit im engeren Sinne zu prüfen, also zu entscheiden, ob die Beschwerdeentscheidung in der Sache zutrifft.
II. Umfang der Begründetheitsprüfung (Abs 2).
Rn 6
Die Regelung des Abs 2 entspricht derjenigen des § 557 I, III für das Revisionsverfahren. Der Umfang der Begründetheitsprüfung wird durch die Rechtsbeschwerdeanträge und (ggf) die Anschlussanträge begrenzt (Abs 2 S 1). Es handelt sich um eine Ausprägung des Grundsatzes ›ne eat iudex ultra petita partium‹ (vgl § 308 I). Wird die Beschwerdeentscheidung nur tw zur Überprüfung gestellt, kann sie auch nur tw aufgehoben oder abgeändert werden. Keine Bindung besteht dagegen an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe (Abs 2 S 2). Das Rechtsbeschwerdegericht ist daher zu einer umfassenden Rechtsprüfung berechtigt und verpflichtet. Es prüft also vAw die Anwendung des für den zu beurteilenden Sachverhalt maßgeblichen materiellen Rechts. Das gilt auch für die kraft Gesetzes statthafte Rechtsbeschwerde gem § 574 I 1 Nr 1. Das Rechtsbeschwerdegericht prüft zwar nur diejenigen Zulässigkeitsgründe des § 574 II, die in der Rechtsbeschwerdebegründung dargelegt sind (§ 575 III Nr 2). Ist die Rechtsbeschwerde jedoch zulässig, ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht auf die Grundsatzfragen, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr beschränkt, die zur Zulässigkeit geführt haben (BGH WRP 15, 726 [BGH 23.10.2014 - I ZB 61/13] Rz 6). Eine Ausnahme enthält S 3 für nicht vAw zu berücksichtigende Verfahrensmängel. Sie sind nur zu beachten, wenn sie in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift oder in der Anschlussschrift (§§ 575 III, 574 IV 2) gerügt worden sind. Das gilt auch für den absoluten Rechtsbeschwerdegrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Beschwerdegerichts, solange nicht willkürlich entschieden wurde (§§ 576 III, 547 Nr 1; vgl BGH NJW 21, 941 Rz 13 f; WM 21, 2207 Rz 6). Ob die Voraussetzungen eines unbestimmten Rechtsbegriffs erfüllt sind, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden; das Rechtsbeschwerdebericht kann dessen Würdigung nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (BGH MDR 10, 1305 [BGH 15.09.2010 - XII ZR 188/08]; NJW 12, 2194 [BGH 08.05.2012 - VI ZR 196/11] Rz 6; MDR 12, 1377). Auch im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelführers (BGH WM 20, 288 Rz 23).
III. Bindung an die Feststellungen des Beschwerdegerichts.
Rn 7
Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Abs 2 S 4 iVm § 559). Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung kann nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter sich mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH WM 14, 618 Rz 30). Neuer tatsächlicher Vortrag ist grds ausgeschlossen. Das in den Tatsacheninstanzen versäumte Vorbringen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden (BGHZ 156, 165, 167 = NJW 04, 71; MDR 07, 1040, 1041). Zu berücksichtigen sind jedoch die zur Begründung von Verfahrensrügen und Verfahrensgegenrügen vorgebrachten Tatsachen (Abs 2 S 4 iVm §§ 559 I 2, 551 III Nr 2b). Beachtlich sind weiter prozessuale Vorgänge, die sich erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens ereignet haben. Auch neues Vorbringen zu den im Rechtsbeschwerdeverfahren vAw zu berücksichtigenden Tatsachen kann erheblich sein (BGHZ 156, 165, 167 f = NJW 04, 71; BGH NJW 17, 488 Rz 8). Das gilt insb dann, wenn sich das anzuwendende Recht nach Abschluss der Beschwerdeinstanz geändert hat. Hat das Rechtsbeschwerdegericht das neue Recht anzuwenden, sind auch neue Tatsachen zu beachten, die aufgrund des geänderten Rechts entscheidungserheblich geworden sind (BGH WM 23, 278 Rz 37). Richtet sich die Rechtsbeschwerde dagegen gegen die Verwerfung der Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist durch Beschl (§ 522 I 4), kann sie nicht auf Tatsachen gestützt werden, die belegen sollen, dass die Berufungsbegründungsfrist gewahrt war, wenn diese Tatsachen in der Berufungsinstanz nicht vorgetragen worden waren. Die Z...