I. Begriff und Funktion.
Rn 5
Das Notfristzeugnis nach § 706 II, das in Textform nach § 126b BGB zu erteilen ist, bringt mit der Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 418 zum Ausdruck, dass innerhalb der Notfrist ein Rechtsmittel oder Einspruch gegen eine Entscheidung nicht eingelegt wurde (BGH MDR 03, 826 [BGH 05.03.2003 - VIII ZR 263/00]). Es ist idR die Beweisgrundlage für die Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses nach § 706 I. Ein Notfristzeugnis ist insb dann notwendig, wenn das Rechtsmittel wie bei der Berufung und Revision bei einem anderen Gericht einzulegen ist als bei dem für die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses zuständigen (anders wegen § 566 III 2 für die Sprungrevision). Bei einem Rechtsbehelf, der beim iudex a quo einzulegen ist, ist ein Notfristzeugnis grds nicht erforderlich (BGH DNotZ 11, 53 [BGH 09.12.2009 - XII ZB 215/09] mit Anm Borth; Milzer MittBayNot 11, 112; für ein Rechtskraftzeugnis nach § 46 S 1 FamFG). Anders ist das nur, wenn die Akten wegen eines anderen Rechtsmittels an die Rechtsmittelinstanz versendet wurden (Musielak/Voit/Lackmann § 706 Rz 7). Bei der sofortigen Beschwerde muss ein Notfristattest für den Fall erwirkt werden, dass das Rechtsmittel, das sowohl beim iudex a quo als auch beim iudex ad quem eingelegt werden kann (§ 569 I 1), beim unterinstanzlichen Gericht nicht eingegangen ist (MüKoZPO/Götz § 706 Rz 6).
II. Erteilung.
1. Zuständigkeit.
Rn 6
Für die Erteilung ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle desjenigen Gerichts zuständig, das über das Rechtsmittel oder den Einspruch entscheidet. Sind bei dem Gericht mehrere Geschäftsstellen eingerichtet, müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die ordnungsmäßige Ausstellung von Notfristzeugnissen zu gewährleisten. Das kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass eine gemeinsame Annahmestelle eingerichtet wird (§ 39 II AktO).
2. Verfahren.
Rn 7
Die Kompetenz des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beschränkt sich auf die Prüfung, ob vor dem Ablauf der Notfrist eine Rechtsmittel- oder Einspruchsschrift eingegangen ist. Um den Ablauf der Notfrist zu bestimmen, muss er insb den Fristbeginn ermitteln, dh den Zeitpunkt der Zustellung der angefochtenen Entscheidung feststellen. Dieser muss vom Antragsteller nachgewiesen werden. Denn die Akten liegen dem Urkundsbeamten regelmäßig nicht vor.
3. Entscheidung.
Rn 8
Bestehen bzgl des Fristbeginns Zweifel, muss das Attest zwar ausgestellt werden. Bescheinigt werden darf in diesem Fall allerdings nur, dass ›bis heute‹ oder bis zu einem bestimmten Datum kein Rechtsmittel oder Einspruch eingelegt wurde (BGH NJW-RR 03, 1005). Sonst bestehen folgende Entscheidungsmöglichkeiten: Das Notfristzeugnis wird erteilt, wenn bis zum Ablauf der Notfrist ein Rechtsmittel oder Einspruch nicht eingegangen ist. In diesem Fall bescheinigt der Urkundsbeamte diesen Umstand unter Angabe des Ablaufdatums der Notfrist. Die Bescheinigung hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Wurde innerhalb der Frist dagegen kein Rechtsmittel oder Einspruch eingelegt, lehnt der Urkundsbeamte die Erstellung des Attests unter Hinweis auf diese Tatsache ab. Das gilt auch, wenn die Entscheidung innerhalb der Notfrist tw angefochten wurde. Allerdings kann in diesem Fall ein Zeugnis über den teilweisen Eintritt der Rechtskraft verlangt werden (BGH NJW 89, 170), sofern ein Anschlussrechtsmittel ausscheidet (Karlsr MDR 83, 676). Die verspätete Einlegung des Rechtsmittels oder des Einspruchs hindert die Erteilung eines Notfristzeugnisses nicht. Allerdings sollte in diesem Fall das Datum des Eingangs der Rechtsmittel- oder Einspruchsschrift in der Bescheinigung unbedingt mitgeteilt werden.