Gesetzestext

 

Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil.

(aufgehoben)

A. Grundlagen und Bedeutung der Norm.

I. Ausgangspunkt.

 

Rn 1

Der Text der Norm ist seit 1898 unverändert (damals § 670a CPO), der Sinngehalt hat sich jedoch grundlegend verändert. Ausgangspunkt ist der Grundsatz des § 750 I 1, dass eine ZV nur gegen denjenigen möglich ist, der im Titel oder in der beigefügten Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsschuldner genannt wird. § 735 und ebenso § 736 enthalten deshalb eine Regelung, gegen wen ein Titel erforderlich ist, wenn Vollstreckungsschuldner eine Gesamthand ist, wenn also eine Rechtszuständigkeit mehrerer vorliegt. Der Gesetzgeber wollte ursprünglich die Gläubiger eines nicht rechtsfähigen Vereins schützen und hat trotz der Verweisung des nicht rechtsfähigen Vereins in § 54 BGB auf die GbR eine Klagemöglichkeit gegen den Verein (§ 50 II aF) und eine Vollstreckung aus dem Titel gegen den Verein (§ 735) geschaffen. Er hat also eine passive Parteifähigkeit angeordnet. Der Gläubiger konnte gegen den Verein klagen und vollstrecken, ohne § 736 zu beachten. Dieser Norminhalt war sinnvoll, so lange der nicht eV sowie die GbR nicht rechts- und parteifähig waren.

II. Die BGH-Entscheidung ›Weißes Ross‹.

 

Rn 2

Der II. Zivilsenat des BGH hat mit Urt v 29.1.01 die GbR für rechts- und parteifähig erklärt (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056 = EWiR 01, 341 m Anm Prütting – Weißes Ross). Wegen der Verweisung des § 54 BGB musste dies auch für den nicht eingetragenen und damit eigentlich nicht rechtsfähigen Verein gelten. Die §§ 50 II aF, §§ 735, 736 waren damit im Grunde sinnlos und obsolet geworden. Die Schwierigkeiten der entstandenen Rechtslage waren umso dramatischer, als die Entscheidung ›Weißes Ross‹ vom 29.1.1 ein wirkungsloses und nicht existentes Urteil war, weil es sich gegen eine nicht existente Partei gerichtet hatte (zu den Einzelheiten Prütting, FS Grunewald 21, S. 881, 882). Der Gesetzgeber hat dennoch über 20 Jahre hinweg § 54 BGB und die §§ 735, 736 unverändert gelassen, er hat aber im neuen § 50 II den nicht rechtsfähigen Verein für aktiv und passiv parteifähig erklärt (Art 3 des G v 24.9.09, BGBl I, 3145, in Kraft seit 30.09.09). Damit war § 735 eigentlich überflüssig, weil nunmehr auch ohne diese Norm wegen § 50 I ein Urteil gegen den Verein als Vollstreckungstitel in jedem Fall möglich und ausreichend ist. Zum Methodenproblem Prütting FS Wiedemann 02, S. 1177; ders FS Reuter 10, S. 263.

III. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).

 

Rn 3

Nunmehr hat der Gesetzgeber das Personengesellschaftsrecht völlig neu geordnet (G v 10.8.21, BGBl I 3436 – MoPeG) und die Konsequenzen aus der Entscheidung ›Weißes Ross‹ gezogen. Er hat § 735 ersatzlos gestrichen. Allerdings tritt diese Änderung erst ab 1.1.24 in Kraft. Bis zum 31.12.23 ist daher § 735 noch heranzuziehen.

B. Rechtslage bis zum 31.12.23.

I. Die Rechtszuständigkeit des nicht eingetragenen Vereins.

 

Rn 4

Der nicht eingetragene Verein war nach der Auffassung des Gesetzgebers eine Gesamthand (§ 54 BGB). Sein Vermögen gehörte den Vereinsmitgliedern zur gesamten Hand als dem Vereinszweck gewidmetes Sondervermögen. Wegen §§ 50 II, 735 konnten jedoch die Gläubiger den Verein verklagen und in das Vereinsvermögen vollstrecken. Das gilt auch jetzt noch, obgleich der Gesetzgeber in § 50 II sowie die Rspr (BGH NJW 08, 69 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]) den nicht rechtsfähigen Verein für rechtsfähig erklärt haben. Es genügt für die ZV also in jedem Fall ein gegen den Verein ergangenes Urt. Vertreten wird der Verein durch den Vorstand, durch die Liquidatoren oder durch ein anderes nach der Satzung bestimmtes Organ.

II. Vollstreckungsarten.

 

Rn 5

§ 735 gilt für die ZV aus Geldforderungen, für die ZV zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen sowie zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen. § 735 gilt für alle vollstreckbaren Urteile sowie alle anderen Schuldtitel (§§ 794, 795). Die Norm bleibt auch bei Auflösung des Vereins bis zur vollständigen Liquidation anwendbar (BGHZ 74, 212 = NJW 79, 1592). § 735 ist für die Gründungsphase von Vereinen und Gesellschaften und für Vorgesellschaften entspr anwendbar (MüKoZPO/Heßler § 735 Rz 6).

 

Rn 6

Als Vollstreckungsobjekte kommen Vereinsforderungen (zB Mitgliedsbeiträge), körperliche Sachen im Gewahrsam eines Vereinsorgans und im Grundbuch eingetragene Grundstücksrechte in Betracht.

III. Vollstreckung gegen Vereinsmitglieder.

 

Rn 7

Aus einem Vollstreckungstitel gegen den Verein ist ein Zugriff auf das persönliche Vermögen der Vereinsmitglieder nicht möglich. Das gilt auch dann, wenn das Vereinsmitglied ein Organ des Vereins ist oder wenn das Mitglied aus einem im Namen des Vereins geschlossenen Rechtsgeschäft persönlich haftet (§ 54 S 2 BGB).

 

Rn 8

Allerdings lässt § 735 ausdr die Möglichkeit einer Klage gegen alle Vereinsmitglieder offen. Ein solcher Titel berechtigt in gleicher Weise zur Vollstreckung in das Vereinsvermögen (§§ 54 BGB, 736 ZPO). Aus diesem Titel ist auch eine Vollstreckung in das Privatvermögen der Vereinsmitglieder zulässig, soweit sich nicht eine Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen aus dem Urt ergibt.

IV. Vollstreckungsverfahren.

 

Rn 9

Gegenstand der Vollstreckung ist das Vereinsvermögen. Das sind die den Mitgliedern gesamthänderisch zugeordneten Vermögensgege...

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