Gesetzestext
(1) 1Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. 2Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.
(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Erinnerung des § 766 stellt einen Rechtsbehelf eigener Art dar, mit dem ausschl die Einhaltung der vollstreckungsrechtlichen Verfahrensbestimmungen verfolgt wird. Materiell-rechtliche Überprüfungen scheiden aus, es sei denn, diese sind iRv Vollstreckungsmaßnahmen ausdrücklich zu berücksichtigen, wie dies bei §§ 775 Nr 4 oder Nr 5 der Fall ist (BGHZ 118, 229, 234; BGH WM 17, 590, 591; vgl auch § 766 Rn 7). Auch Einwendungen, welche die normative Grundlage des Titels betreffen, können nur mit der Titelgegenklage gem § 767 analog geltend gemacht werden (BGH Beschl v 12.12.13 – V ZB 178/13 Rz 10). Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob im Verfahren nach § 766 die formelle Unwirksamkeit eines Vollstreckungstitels generell geltend gemacht werden kann (so MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 32) oder ob dies nur bei offensichtlichen Mängeln geschehen kann (so St/J/Münzberg Rz 15; offengelassen BGH Beschl v 14.4.05 – V ZB 4/05 Rz 9 juris = DNotZ 05, 845; Beschl v 4.4.12 – V ZA 8/12 Rz 5, juris). Obwohl es sich bei der Erinnerung nicht um ein eigentliches Rechtsmittel handelt, ist sie als Zwei-Parteienverfahren zwischen Gläubiger und Schuldner ausgestaltet (BGHZ 170, 378, 381; St/J/Münzberg Fn 4; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 3).
B. Anwendungsbereich.
I. Abgrenzung zu § 793.
1. Kriterien.
Rn 2
§ 766 ermöglicht die Überprüfung sowohl von Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts als auch des GV; nicht überprüft werden mit § 766 die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts. Liegt eine Entscheidung vor, ist die sofortige Beschwerde nach § 793 der richtige Rechtsbehelf (BGH ZIP 04, 1379). In Familiensachen ist § 766 entspr über § 120 I FamFG anzuwenden (Brandbg FamRZ 11, 831, 832). Die Frage, ob eine Vollstreckungsklausel zu Recht – auch uneingeschränkt – erteilt wurde, ist der Nachprüfung durch das Vollstreckungsorgan entzogen und kann nicht im Erinnerungsverfahren nach § 766 vor dem Vollstreckungsgericht aufgeworfen werden (BGH Beschl v 1.2.17 – VII ZB 22/16 = NJW-RR 17, 510 Rz 13; v 16.9.21 – VII ZB 9/21 = WM 21, 2200 Rz 13, jew mwN).
Rn 3
Umstritten ist die Frage, wann eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts und wann eine bloße Maßnahme vorliegt. Zu zweckmäßigen Ergebnissen und klaren Abgrenzungsmöglichkeiten führt sicher die Auffassung, dass die Ablehnung des Vollstreckungsaktes ebenso wie die Vornahme grds mit der Erinnerung angreifbar seien und erst gegen die Entscheidung über die Erinnerung die sofortige Beschwerde nach § 793 gegeben sei (Baur/Stürner/Bruns Rz 43.4). Nach aA liegt eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts idR nur dann vor, wenn ein Beschl ergangen ist, der das Parteivorbringen bei der Entscheidung berücksichtigt hat; ob der Beschl des Vollstreckungsgerichts dem Inhalt nach eine Vollstreckungsmaßnahme oder eine Entscheidung darstellt, ist unerheblich. Begründet wird dies mit der Erwägung, § 766 gebe dem Vollstreckungsgericht die Möglichkeit, seine eigene Anordnung zu überprüfen; dem Beteiligten, dem rechtliches Gehör gewährt wurde, könne es nicht zugemutet werden, erst noch eine beschwerdefähige Entscheidung des Vollstreckungsgerichts zu erwirken, wenn er ohnedies annehmen muss, sein Vorbringen sei bereits geprüft und abgelehnt worden (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 17; Musielak/Voit/Lackmann Rz 12). In Kauf genommen wird dabei, dass für die Beteiligten unterschiedliche Rechtsbehelfe gelten können, je nachdem, ob sie angehört worden sind oder nicht (St/J/Münzberg Rz 7). Eine Ausn gilt nur dann, wenn sich auf einer Seite zwei Parteien, so Schuldner und Drittschuldner, befinden; in diesen Fällen wird angenommen, dass es nicht zwei verschiedene Rechtsbehelfe gegen einen Beschl geben kann (Bambg NJW 78, 1389). Teilweise wird auf die Anhörungsmöglichkeit für die Parteien konsequent abgestellt und bei unterbliebener Anhörung immer eine Vollstreckungsmaßnahme angenommen, dies unabhängig davon, ob die Anhörung vorgeschrieben, zulässig oder sogar unzulässig gewesen ist (so RGZ 16, 317, 321, 322; 18, 431, 434; Wieczorek/Schütze/Spohnheimer Rz 20).
Rn 4
Nach überwiegender Auffassung ist bei der Frage nach dem Rechtsbehelf nicht nur auf die Anhörung abzustellen, sondern auch auf die Rechtsgrundlagen der Anhörung. So wird, besteht Zwang zur Anhörung des Schuldners, wie dies gem §§ 825 I, 844 II, 887 ff iVm § 891 der Fall ist, die sofortige Beschwerde gem § 793 als zutreffender Rechtsbehelf angesehen, auch wenn eine Anhörung nicht erfolgt ist. Bei vorgeschrieben...