Gesetzestext
1Ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, soll nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Nacherben gegenüber unwirksam ist. 2Der Nacherbe kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben.
A. Normzweck.
Rn 1
Gemäß § 2115 S 1 BGB ist, erfolgt über einen der Nacherbfolge unterliegenden Nachlassgegenstand im Weg der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder auch durch den Insolvenzverwalter eine Verfügung, diese im Fall des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam, soweit sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies schließt allerdings nicht aus, dass im Fall einer Versteigerung im Weg der Zwangsvollstreckung das Eigentum an den Nachlassgegenständen auf den Ersteher lastenfrei übertragen werden könnte. § 2115 S 1 BGB wird daher durch das Verwertungsverbot des § 773 ergänzt. Danach soll ein Gegenstand, der zu einer Vorerbschaft gehört, nicht im Weg der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Fall des Eintritts der Nacherbfolge nach § 2115 BGB dem Nacherben ggü unwirksam ist. § 773 enthält damit ein Verwertungsverbot.
Rn 2
Beide Vorschriften bezwecken den Erhalt des Nachlasses. Der Nacherbe soll davor bewahrt werden, dass Eigenverbindlichkeiten des Vorerben aus dem Nachlass beglichen werden und ihm damit ohne Entgelt Vermögenswerte entzogen werden. Damit soll der Nachlass vor haftungsrechtlicher Verwertung der von ihm umfassten Gegenstände und Rechte aufgrund von Geldforderungen geschützt werden, die ggü dem Sondervermögen nicht begründet sind (Staud/Avenarius § 2115 BGB Rz 1). Ebenso wie bei den relativen Veräußerungsverboten des § 772 hat sich eine verfahrensrechtliche Ergänzung der materiell-rechtlichen Regelung als erforderlich erwiesen, da im Fall einer Versteigerung im Weg der Zwangsvollstreckung das Eigentum an den Nachlassgegenständen auf den Ersteher lastenfrei übertragen werden kann. Da § 773 S 1 jedoch ebenso wenig wie § 772 S 1 Einfluss auf die Wirksamkeit etwa doch durchgeführter Verwertungsmaßnahmen hat, gibt § 773 S 2 dem betroffenen Nacherben die Möglichkeit der Widerspruchsklage. Geschützt ist jedoch auch der Schuldner; ein Verstoß gegen § 773 S 1 begründet auch hier die Gefahr ungünstiger Verwertungsergebnisse (vgl § 772 Rn 1).
B. Anwendungsbereich, Voraussetzungen.
Rn 3
Sowohl § 2115 BGB als auch § 773 finden nur bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen Anwendung; uneingeschränkt gelten sie für die Mobiliar- und Immobiliarvollstreckung. Nicht anwendbar ist § 773 auf Teilungsversteigerungen, die von Miterben betrieben werden; etwas anderes gilt dann, wenn ein Gläubiger den Erbteil gepfändet hat und aufgrund dessen die Auseinandersetzungsvollstreckung betreibt (Celle NJW 68, 801, 802).
Rn 4
§ 773 betrifft nur Gläubiger des Vorerben. Liegt der Titel eines Nachlassgläubigers vor oder geht es um ein auch dem Nacherben ggü wirksames Recht an einem Nachlassgegenstand, bleibt die Verfügung auch mit Eintritt des Nacherbfalles dem Nacherben ggü wirksam, § 2115 S 2 BGB. Vollstreckungsmaßnahmen, die das Recht des Nacherben im Nacherbfall vereiteln oder beeinträchtigen würden, liegen dann nicht vor, wenn wegen Verbindlichkeiten gepfändet wird, die vom Vorerben in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses gem § 2120 BGB oder aber mit Einwilligung des Nacherben eingegangen worden sind (RGZ 90, 91, 95; BGHZ 110, 176, 179). Das Recht des Nacherben wird auch dann nicht beeinträchtigt, wenn der Gläubiger Nachlassgläubiger ist und ihm der Nacherbe ebenso haftet wie der Vorerbe (St/J/Münzberg Rz 2). Die Vollstreckung aus einem vom befreiten Vorerben entgeltlich bestellten Grundpfandrecht muss der Nacherbe gegen sich gelten lassen (RGZ 133, 263, 267), ebenso die Vollstreckung in die dem Vorerben gebührenden Nutzungen (RGZ 80, 1, 7).
Rn 5
Ebenso wie § 772 enthält § 773 nur ein Verwertungsverbot, von dem die einzelne Vollstreckungsmaßnahme selbst nicht berührt wird.
C. Rechtsbehelfe.
Rn 6
§ 773 S 2 gibt dem Nacherben das Recht der Widerspruchsklage gem § 771. Jeder Nacherbe hat für sich ein eigenes Widerspruchsrecht (BGH WM 93, 1158, 1160 [BGH 10.02.1993 - IV ZR 274/91]). Mehrere Nacherben sind keine notwendigen Streitgenossen, wenn sie gemeinsam Widerspruchsklage gem § 773 S 2 erheben. Der Nacherbe hat bei Verletzung des § 773 S 1 auch die Möglichkeit der Erinnerung (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 7). Die Erinnerung steht auch dem Schuldner zu, der ebenfalls durch § 773 S 1 geschützt ist (vgl Rn 1). Gegen eine Ablehnung der Verwertung kann der Gläubiger Erinnerung einlegen (Musielak/Voit/Lackmann Rz 2). Bei endgültigem Ausfall der Nacherbschaft nach Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urt hat der Gläubiger die Möglichkeit des § 767. Es ist auch iRd § 773 S 2 nicht davon auszugehen, dass ein stattgebendes Urt eine auflösende Bedingung enthielte und der Fortfall des Veräußerungsverbots ohne weiteres zu einem Fortfall der Wirkungen...