Rn 29
Rechtsanwälte, die beim Prozessgericht nach I und II postulationsfähig sind, können sich nach IV selbst vertreten. Deshalb kann sich weder ein Patentanwalt (§ 4 II PAO) noch ein BGH-Anwalt (§ 172 I 1 BRAO) vor dem LG oder OLG selbst vertreten. Entgegen dem irreführenden Wortlaut entsteht jedoch kein Vertretungsverhältnis des Anwalts mit sich selbst, der Regelungsgehalt beschränkt sich auf die Befreiung von der sich aus § 78 I 1 ergebenden Verpflichtung; prozessual ist allein seine Stellung als Rechtsanwalt mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten maßgeblich, weshalb auch die schon nach dem Wortlaut uneingeschränkte Nutzungspflicht aus § 130d gilt (BGH FamRZ 23, 719 Rz 17 zu § 14b FamFG; BFH NJW 22, 2951 Rz 3 zu § 52a FGO; BGH NJW 23, 525 [BGH 24.11.2022 - IX ZB 11/22] Rz 14 f für den anwaltlichen Insolvenzverwalter). Da es einem Rechtsanwalt unbenommen ist, davon keinen Gebrauch zu machen und sich vertreten zu lassen, muss er deutlich machen, dass er diese Befugnis in Anspruch nimmt, wozu idR genügt, dass er selbst handelt. Das Recht der Selbstvertretung gilt auch, soweit er als Partei kraft Amtes auftritt, zB als Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker oder Pfleger. Eine Ausdehnung dieser Ausnahme auf andere Volljuristen ist ausgeschlossen (Zö/Althammer § 78 Rz 37; Musielak/Voit/Weth § 78 Rz 34). Macht der Anwalt von seinem Selbstvertretungsrecht Gebrauch, ist er im Prozess wie jeder andere Rechtsanwalt zu behandeln (BGH NJW-RR 19, 1395 [BGH 12.06.2019 - XII ZB 432/18] Rz 8; MDR 22, 389 [BGH 02.12.2021 - IX ZR 53/21] Rz 8), für ihn gelten die allgemeinen Vorschriften (zum Verlust der Anwaltszulassung s § 86 Rn 5, § 87 Rn 4); besteht ein Vertretungsverbot, kann der Anwalt sich im Anwaltsprozess nicht selbst vertreten (§ 155 IV BRAO). Im Falle der Selbstvertretung gelten auch §§ 239, 244 (BGH MDR 90, 702), nur § 246 I ist nicht anwendbar, das Verfahren wird nach § 244 unterbrochen (KG NJW-RR 08, 142, 143 [KG Berlin 09.07.2007 - 2 W 89/07]; 07, 967 [KG Berlin 27.02.2007 - 27 U 116/06]; BGH Beschl v 8.10.13 – II ZR 269/12 Rz 4). Bestellt sich für den Rechtsanwalt ein Prozessbevollmächtigter, gelten auch insoweit die allgemeinen Regeln, der von seinem Selbstvertretungsrecht keinen Gebrauch machende Anwalt wird wie jede andere Partei behandelt. Der Rechtsanwalt kann schließlich auch neben einem Prozessbevollmächtigten sich selbst vertreten (§ 84), muss dies aber deutlich machen. Dann gelten die allgemein für mehrere Prozessbevollmächtigte geltenden Regeln. Aus dem Recht zur Selbstvertretung folgt jedoch nicht zwingend ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch. Auch der Rechtsanwalt ist als Prozesspartei verpflichtet, die Kosten niedrig zu halten (BGH NJW 07, 2257 [BGH 02.05.2007 - XII ZB 156/06]; zum Anfall von USt vgl Köln MDR 18, 1085). Ein prozesskostenhilfeberechtigter Rechtsanwalt kann nicht verlangen, sich selbst beigeordnet zu werden (BAG NJW 08, 604 [BAG 14.11.2007 - 3 AZB 26/07]).