Rn 1
Als Prozessvollmacht wird die spezielle Vollmacht bezeichnet, die den Bevollmächtigten zur Prozessführung für den Vertretenen ermächtigt. Entsprechend ihrer Zweckbestimmung findet auf sie grds nur das Prozessrecht Anwendung. Dies gilt auch, soweit Prozesshandlungen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens vorgenommen werden (zB Vollstreckungsunterwerfung nach § 794 I Nr 5; BGH NJW 04, 844, 845 [BGH 18.11.2003 - XI ZR 332/02]). Die allgemeinen Regeln der §§ 164 ff BGB gelten nur, soweit das Prozessrecht in den Sonderregeln der §§ 80 ff auf sie verweist (BGH NJW 03, 1593, 1594 [BGH 17.03.2003 - XII ZB 2/03]; 04, 59, 60 [BGH 22.10.2003 - IV ZR 398/02]; 21, 2360 Rz 15) oder in ihnen ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt (BGH NJW 03, 963, 964; 21, 2360 Rz 15), wie bei den Regeln der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGHZ 40, 197, 204; Frankf OLGR 00, 264, 265). Nicht anwendbar sind §§ 171, 172 BGB, denn §§ 80, 88, 89 enthalten abschließende Regelungen (BGH NJW 03, 1594, 1595 [BGH 26.03.2003 - IV ZR 222/02]: 04, 59, 60; 04, 839, 840; Musielak/Voit/Weth § 80 Rz 5). Das Gleiche gilt für § 174 BGB (BGH NJW 03, 963, 964; BVerwG NZA-RR 04, 389, 392 [BVerwG 01.12.2003 - BVerwG 6 P 11.03]). Deshalb gelten auch die Regelungen über die Genehmigung (§§ 180 ff BGB) nicht. Rechtsklarheit über das Vorliegen einer Vollmacht wird nach § 89 geschaffen (BGH NJW 03, 963, 964; Rostock OLGR 00, 454, 456). Die Vorschrift gilt auch im Vollstreckungsverfahren (BGH WM 21, 2203 Rz 12; Ausn § 753a) und für das Verfahren in Ehesachen und Familienstreitsachen (§§ 112, 113 I FamFG) mit der Maßgabe, dass für Ehesachen eine besondere Vollmacht notwendig ist (§ 114 V FamFG). Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG enthält § 11 S 1, 2 FamFG eine identische Regelung. Auch §§ 71 II, 81 II, III ZVG enthalten Sonderregelungen.
Rn 2
Die Prozessvollmacht ist wie die Vollmacht nach BGB von dem zugrunde liegenden Grundgeschäft (zB Auftrag, Geschäftsbesorgung usw) zu trennen mit der Folge, dass das Grundgeschäft allein das Dürfen im Innenverhältnis bestimmt, während das Können im Außenverhältnis allein durch §§ 81 ff geregelt wird. Mögliche Mängel des Grundgeschäftes schlagen deshalb auf die Prozessvollmacht grds nicht durch, deren Wirksamkeit wir dadurch nicht beeinträchtigt (BGH 93, 1926; NJW-RR 10, 67 Rz 6, 8). Diese Abstraktheit wird nur in den Fällen durchbrochen, in denen das Grundgeschäft gegen ein auch den Schutz des Vertretenen bezweckendes Verbotsgesetz verstößt. Dann erstreckt sich die Nichtigkeit ausnahmsweise auch auf die Prozessvollmacht (BGH NJW 03, 1594, 1595 [BGH 26.03.2003 - IV ZR 222/02]; 04, 59, 60 [BGH 22.10.2003 - IV ZR 398/02]; NJW-RR 10, 67 [BGH 14.05.2009 - IX ZR 60/08] Rz 10; Zö/Althammer § 80 Rz 2 zum RDG iVm § 134 BGB). Unabhängig davon muss die Vollmacht von der dazu befugten Person erteilt worden sein, weshalb eine Vollmachtserteilung allein durch den Aufsichtsratsvorsitzenden ohne einen entsprechenden Aufsichtsratsbeschluss unwirksam ist (Zweibr Beschl v 23.6.10 – 4 U 169/09, Rz 13 f; München Urt v 13.10.05 – 23 U 1949/05 Rz 46; einschränkend BAG NZA 04, 336, 338 [BAG 18.02.2003 - 1 ABR 17/02]; 04, 746, 747 [BAG 09.12.2003 - 1 ABR 44/02] für Betriebsratsbeschlüsse). Das Gleiche gilt, wenn ein notwendiger einstimmiger Gesellschaftsbeschluss fehlt (Stuttg Urt v 12.7.10 – 5 U 33/10 Rz 22, 29).
Rn 3
Allerdings schließen manche umfassenden Vollmachten eine Ermächtigung zur Prozessführung mit ein. Dies gilt für die Generalvollmacht in Bezug auf Vermögensangelegenheiten, die Prokura nach § 49 HGB (BGH ZIP 19, 609 Rz 24), idR auch für die Handlungsvollmacht nach § 54 HGB, die Bestellung als geschäftsführender Gesellschafter (§ 714 BGB aF, jetzt: § 720 BGB), die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person und schließlich für die Bestellung zum Abwickler (Anders/Gehle/Weber ZPO § 80 Rz 8; Zö/Althammer § 80 Rz 9). In diesen Fällen ist die Prozessvollmacht nur dann wirksam, wenn auch die Vollmacht nach den für sie geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften (zB §§ 164 ff BGB) wirksam ist (BFH DB 85, 28 für den Liquidator; Musielak/Voit/Weth § 80 Rz 10). Dies gilt auch für den Betreuer, sofern die Erfüllung der übertragenen Aufgabe die Führung eines Prozesses notwendig macht (Karlsr NJW-RR 99, 1699, 1700). Das gleiche gilt nach § 152 ZVG für den Zwangsverwalter (BGH NJW 10, 3033 [BGH 11.08.2010 - XII ZR 181/08] auch Frage der Beendigung des Prozessführungsrechts). Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist zur Führung eines Prozesses nur dann befugt, wenn ihm diese Befugnis durch Beschluss oder Vereinbarung übertragen wurde (BGH NJW 12, 2797, 2798 [BGH 01.06.2012 - V ZR 171/11]).
Rn 4
Ein Berufsrechtsverstoß des Anwalts führt regelmäßig zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags (BGH NJW 11, 373 [BGH 21.10.2010 - IX ZR 48/10] Rz 9 f zu § 45 I Nr 1 BRAO; NJW 19, 1147 [BGH 10.01.2019 - IX ZR 89/18] Rz 24; NJW 16, 2561 [BGH 12.05.2016 - IX ZR 241/14], Rz 7 f jew zu § 43a IV BRAO); daraus folgt aber nicht zugleich di...