Rn 1
Die Pfändung bewirkt zunächst die Verstrickung (Beschlagnahme) des gepfändeten Gegenstandes. Die Verstrickung ist ein hoheitlicher Zugriff auf den Gegenstand, durch den sichergestellt werden soll, dass sich der Gläubiger aus diesem befriedigen kann. Der Gegenstand untersteht damit staatlicher Verfügungsmacht, privatrechtlich führt die Verstrickung zu einem relativen Verfügungsverbot gem §§ 135, 136 BGB. Gepfändete bewegliche Sachen werden zudem strafrechtlich über § 136 StGB geschützt. Die Verstrickung setzt sich an dem Erlös aus der Verwertung (§§ 819, 825, 844) fort.
Rn 2
Die Entstehung der Verstrickung setzt (lediglich) die Wirksamkeit der Pfändung voraus; sie tritt also auch dann ein, wenn die Pfändung fehlerhaft erfolgte und anfechtbar ist. Nur bei schweren und offenkundigen Fehlern ist die Pfändung nichtig und entfaltet keine Wirksamkeit (BGHZ 121, 98, 102 = NJW 93, 735, 736); in diesem Fall ist die Pfändung nicht heilbar, sondern muss ggf nach Behebung des Nichtigkeitsgrundes wiederholt werden. Nichtigkeit liegt bspw vor, wenn ein vollstreckbarer Titel fehlt (BGHZ 70, 313, 317; 121, 98, 102) oder bei Pfändung durch ein offensichtlich unzuständiges Organ, so bei Forderungspfändung durch den GV oder Sachpfändung durch das Vollstreckungsgericht; für die Nichtigkeit genügt es aber zB nicht, dass der GV eine Sache entgegen § 865 II aus dem Haftungsverband der Hypothek pfändet (str, vgl § 865 Rn 18). Nichtig ist auch eine Sachpfändung ohne Inbesitznahme oder ohne Kenntlichmachung (s § 808 Rn 16, 22 ff), eine Anschlusspfändung ohne wirksame Erstpfändung oder die Vollstreckung gegen eine Person, die nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt. Die Pfändung einer nicht bestehenden oder einer nicht dem Schuldner zustehenden Forderung (oder eines sonstigen Rechts) geht ins Leere und ist damit ebenfalls wirkungslos; anders grds jedoch die Pfändung einer schuldnerfremden Sache (vgl § 808 Rn 3). Eine Forderungspfändung bedarf zu ihrer Wirksamkeit zudem der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner (vgl § 829 Rn 53). Keine Nichtigkeit bewirken zB das Fehlen der Klausel (§§ 724 ff) oder der vorherigen Zustellung des Titels (§ 750 I) sowie die Nichtbeachtung besonderer Vollstreckungsvoraussetzungen (zB § 751) oder sonstiger Verfahrensvorschriften wie §§ 758–760, 803 II, 809, 811, 813. Der Verstoß gegen einfache Vollstreckungsvorschriften, wie zB Pfändungsverbote, führt nur zur Anfechtbarkeit der Pfändung, die der Schuldner mit Rechtsbehelfen geltend machen muss (BGH NJW-RR 09, 211, 212 [BGH 23.10.2008 - VII ZB 16/08] Rz 7). Auch eine nach §§ 88, 89 InsO unwirksame Vollstreckung führt zur öffentlich-rechtlichen Verstrickung (BGH ZIP 17, 2016 Rz 14 f). Zum Umfang der Verstrickung, der dem des Pfändungspfandrechts entspricht, vgl unten Rn 5.
Rn 3
Die Verstrickung endet entweder durch Entstrickung oder (vollständige) Beendigung der Zwangsvollstreckung, insb durch die Auskehr des Erlöses an den Gläubiger (an dem sich die Verstrickung fortsetzt, s § 819 Rn 2), bei der Forderungspfändung durch die befreiende Leistung oder Aufrechnung des Drittschuldners. Entstrickung bezeichnet die Aufhebung der Pfändung durch das Vollstreckungsorgan, die bei beweglichen Sachen erfolgt, indem der GV den Besitz aufgibt, also die Sache dem Schuldner (oder dem Dritten, § 809) zurückgibt oder das Pfandsiegel entfernt, wozu er auch den Schuldner ermächtigen kann. Nicht genügend ist, dass ein Gericht die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt; auch hier führt das eigenmächtige Entfernen des Pfandsiegels durch den Schuldner nicht zur Entstrickung. Erforderlich ist vielmehr die Vollziehung der gerichtlichen Entscheidung durch das zuständige Vollstreckungsorgan (§§ 775, 776). Auch die Freigabe durch den Gläubiger kann den hoheitlichen Zugriff auf die Sache nicht beenden, sie lässt aber das Veräußerungsverbot (§§ 135, 136 BGB) entfallen, weil dieser Schutz für den Gläubiger disponibel ist. Die Verstrickung wird bei gepfändeten Sachen entgegen der wohl hM auch nicht durch gutgläubigen Erwerb beendet (sehr str, vgl Wieczorek/Schütze/Lüke § 803 Rz 40 f); zwar kann der Gutgläubige lastenfrei Eigentum erwerben; damit endet jedoch nicht auch die hoheitliche Beschlagnahme. Bei der Rechtspfändung kann die Entstrickung durch einseitigen Verzicht des Gläubigers erfolgen (§ 843). Sie endet zudem auch beim Arrest ohne Beteiligung des Vollstreckungsorgans durch Versäumung der Vollziehungsfrist (§ 929 III 2).