Gesetzestext
(1) 1Hat der Gläubiger die Vornahme der Pfändung beim Schuldner beantragt und
1. |
hat der Schuldner die Durchsuchung (§ 758) verweigert oder |
2. |
ergibt der Pfändungsversuch, dass eine Pfändung voraussichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird, |
so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die Vermögensauskunft auf Antrag des Gläubigers abweichend von § 802f sofort abnehmen. 2§ 802f Abs. 5 und 6 findet Anwendung.
(2) 1Der Schuldner kann einer sofortigen Abnahme widersprechen. 2In diesem Fall verfährt der Gerichtsvollzieher nach § 802f; der Setzung einer Zahlungsfrist bedarf es nicht.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Auskunft des Schuldners über sein Vermögen ist ein Hilfsmittel iRd Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen und zugleich selbst eine Vollstreckungsmaßnahme. Sie soll dem Gläubiger ein effektives Mittel zur Durchsetzung seiner Rechte an die Hand geben, das verfassungsrechtlich aufgrund des Zwangsmonopols des Staates und des damit einhergehenden Verbots der Selbsthilfe gerechtfertigt ist (BVerfGE 61, 126; NJW 18, 531 [BVerfG 03.11.2017 - 2 BvR 2135/09] Rz 18). Sie ist (heute) nicht ultima ratio, sondern steht regelmäßig am Beginn der Vollstreckung, vgl § 802c (zur Reform Vollkommer NJW 12, 3681). Der Gläubiger ist nicht mehr verpflichtet, zunächst einen aufwändigen, in der Praxis aber meist fruchtlosen Versuch der Pfändung in körperliche Sachen durch den GV zu unternehmen. Das Vollstreckungsverfahren ist nun vielmehr am Leitbild der praktisch bedeutsameren Forderungspfändung und Vollstreckung in unbewegliches Vermögen orientiert (BTDrs 16/10069, 20). Um diese durchführen zu können, ist der Gläubiger auf Informationen angewiesen, die er insb über §§ 755, 802c und 802l erlangt. Nach § 802c kann der Gläubiger bereits zu Beginn der Vollstreckung die Abgabe einer Vermögensauskunft verlangen. Einzige Voraussetzung ist, dass der GV dem Schuldner erfolglos eine letzte Frist von zwei Wochen für die Begleichung der Forderung gesetzt hat (§ 802f I 1). Neben dieser Möglichkeit hat § 807 eine lediglich ergänzende Funktion und erleichtert die Erlangung des Vermögensverzeichnisses für den Fall, dass der Gläubiger zunächst eine Vollstreckung in körperliche Sachen versucht hat. Das Fristerfordernis des § 802f I 1 entfällt, wenn der Gläubiger den GV mit einem Pfändungsversuch beim Schuldner beauftragt hat und dieser erfolglos war, weil der Schuldner entweder die Durchsuchung verweigert hat (Abs 1 S 1 Nr 1, s Rn 6) oder die Pfändung voraussichtlich nicht zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird (Abs 1 S 1 Nr 2, s Rn 4 f).
Rn 2
§ 807 ist nur bei einer Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen anwendbar; für die Herausgabevollstreckung findet sich eine ähnl Regelung in § 883 II. Weil die Vermögensauskunft nicht nur Vorbereitungs-, sondern eigene Vollstreckungsmaßnahme ist (s Rn 1), wird § 807 im laufenden Insolvenzverfahren durch § 89 InsO gesperrt (BGH ZIP 14, 480, 481 Rz 7).
B. Voraussetzungen.
Rn 3
Die sofortige Abnahme der Vermögensauskunft setzt zunächst voraus, dass der Gläubiger (neben dem Vollstreckungsauftrag) einen entspr Antrag gestellt hat (s § 802c Rn 3) und die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung erfüllt sind (s vor §§ 704 ff Rn 9). Zudem muss der Schuldner die Durchsuchung verweigert haben (Rn 6) oder der Vollstreckungsversuch erfolglos geblieben sein (Rn 4 f). Schließlich darf die Sperrfrist des § 802d nicht entgegenstehen (s § 802d Rn 2).
Rn 4
Möglich ist eine sofortige Vermögensauskunft unmittelbar im Anschluss an einen erfolglosen Pfändungsversuch (Abs 1 S 1 Nr 2), wenn also der Gläubiger nach der Einschätzung des GV voraussichtlich nicht bzw nicht vollständig befriedigt werden kann (vgl auch § 806a Rn 2). Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen bleibt hierbei außer Betracht. Kommt eine Pfändung an mehreren Orten (mehrere Wohnsitze, Wohn- und Geschäftssitz) in Betracht, ist entscheidend, ob aus der Erfolglosigkeit eines Pfändungsversuchs an einem Ort auf die Unpfändbarkeit des Schuldners insgesamt geschlossen werden kann. Dabei wird aus der Unpfändbarkeit am Hauptwohnsitz (Lebensmittelpunkt) idR auf die Unpfändbarkeit auch am Nebenwohnsitz geschlossen werden können (Frankf Rpfleger 77, 145; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4 mN). Etwas anderes gilt, wenn der Schuldner über mehrere Geschäftslokale (Köln InVo 00, 172 [BGH 16.12.1999 - IX ZR 270/98]) oder über eine Wohnung und ein Geschäftslokal verfügt (Köln Rpfleger 75, 441); dann ist grds an allen diesen Orten ein Pfändungsversuch erforderlich, weil aus der Situation an dem einen Ort nicht auf die Vollstreckungsaussichten an dem anderen geschlossen werden kann (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4). Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalls. Das wiederholte Nichtantreffen des Schuldners stellt keinen erfolglosen ›Pfändungsversuch‹ iSd Abs 1 S 1 Nr 2 dar (AG Augsburg DGVZ 13, 193).
Rn 5
Eine Pfändung ist auch dann erfolglos, wenn zwar Gegenstände gepfändet werden konnten, diese jedo...