1. Bedeutung des Gewahrsams.
Rn 3
Der GV darf grds alle Sachen pfänden, die sich im (alleinigen, s.u. Rn 7) Gewahrsam des Schuldners befinden. Das Gesetz geht davon aus, dass der idR leicht feststellbare Gewahrsam für die Zugehörigkeit zum Schuldnervermögen spricht (BGHZ 95, 10, 16). Der GV prüft nicht, ob die Sache tatsächlich zum Schuldnervermögen gehört (vgl BGHZ 80, 296, 299; LG Dortmund NJW-RR 86, 1497, 1498) oder ein die Veräußerung hinderndes Recht eines Dritten besteht. Er hat die Pfändung auch dann vorzunehmen, wenn ein Dritter zB unter Hinweis auf sein Sicherungseigentum widerspricht (BGHZ 118, 201, 206) oder der Schuldner behauptet, dass er die tatsächliche Gewalt über die Sache nur für den Besitzer ausübe oder dass er sein Besitzrecht von einem anderen ableite (§ 71 I GVGA). Der Dritte muss sein Recht mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771) geltend machen. Das gilt auch, wenn dem GV Urkunden vorgelegt werden, nach denen ein Dritter Eigentümer ist (zB Sicherungsübereignungsvertrag, LG Bonn MDR 87, 770 [LG Bonn 25.11.1986 - 4 T 743/86]). Nur wenn eine Sache offensichtlich zum Vermögen eines Dritten gehört (Bsp s § 71 II GVGA), unterbleibt die Pfändung (Saarbr OLGR Saarbr 03, 39, 42), es sei denn, der Dritte erklärt, dass er der Pfändung nicht widerspreche, oder der Gläubiger verlangt die Pfändung ausdrücklich (§ 71 II GVGA; LG Kassel DGVZ 06, 182, 183; s.a. AG Bühl DGVZ 10, 174, 175).
Rn 4
Haftet der Schuldner nur mit fremdem Vermögen, zB als Testamentsvollstrecker, Zwangsverwalter oder Insolvenzverwalter, muss der GV ausnahmsweise neben dem Gewahrsam auch die Zugehörigkeit zu dem haftenden Vermögen prüfen (vgl § 70 IV GVGA).
2. Gewahrsam.
Rn 5
Der Schuldner hat an allen Sachen Gewahrsam, die sich mit seinem Willen in äußerlich erkennbarer Weise in seinem tatsächlichen Herrschaftsbereich befinden (BGH DGVZ 21, 215; Saarbr OLGR Saarbr 03, 39, 41). Der GV bewertet dies nach dem äußeren Anschein (BGH DGVZ 21, 215, 218; Ddorf NJW-RR 97, 998 [OLG Düsseldorf 08.11.1996 - 3 W 454/96]). Wer unmittelbaren Besitz (§ 854 I BGB) hat, hat auch Gewahrsam (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; MüKoZPO/Gruber Rz 6). Regelmäßig besteht Gewahrsam an allen Sachen, die der Schuldner bei sich trägt oder die sich in der Wohnung des Schuldners befinden (auch wenn er sich in Haft befindet, LG Berlin DGVZ 91, 57), in allein von ihm genutzten abgeschlossenen Räumen (zB Büro, Werkstatt, Lagerraum, Pkw) oder in Behältnissen (zB Schrank, Schreibtisch, Koffer, Kisten, Kassetten, Taschen, auch in Kleidungsstücken; vgl § 758 Rn 5), über die er die alleinige tatsächliche Sachherrschaft besitzt. Es besteht die widerlegliche Vermutung, dass an einem Pkw derjenige Gewahrsam hat, auf den er zugelassen ist (AG Schöneberg DGVZ 12, 210, 211). Auch der fehlerhafte Besitz, der durch verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) oder sonst unberechtigt erlangt ist, begründet Gewahrsam (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4).
Rn 6
Der mittelbare Besitzer (§ 868 BGB) hat mangels tatsächlicher Sachherrschaft keinen Gewahrsam. Gleiches gilt für den Besitzdiener (§ 855 BGB), zB Hausangestellte, Kellner (bzgl Trinkgeld s LG Kaiserslautern DGVZ 09, 165, 166), Verkäufer, Beamte, an den ihm vom Besitzherrn überlassenen Sachen (vgl PWW/Prütting § 855 Rz 2 ff). Gewahrsamsinhaber ist allein der Besitzherr. Wird gegen ihn vollstreckt, kann der GV auch gegen den Willen des Besitzdieners pfänden, da § 809 nicht gilt. Den Widerstand des Besitzdieners darf er durch Anwendung von Gewalt nach § 758 III (vgl § 758 Rn 7) brechen. Besitzdiener ist nicht (mehr), wer nach außen erkennbar dauerhaft nicht (mehr) den Willen hat, die tatsächliche Gewalt für einen anderen auszuüben, sondern für sich selbst besitzen will und dies auch zum Ausdruck bringt (Ddorf NJW-RR 97, 998, 999 [OLG Düsseldorf 08.11.1996 - 3 W 454/96]). Einigung über Besitzerwerb (§ 854 II BGB) reicht für Gewahrsam nicht aus (wohl hM, Zö/Seibel Rz 7; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; aA MüKoZPO/Gruber Rz 9). Auch der Erbschaftsbesitzer (§ 857 BGB) hat keinen Gewahrsam, da sein Besitz nur fiktiv und nicht äußerlich erkennbar ist (vgl Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; Zö/Seibel Rz 7; aA MüKoZPO/Gruber Rz 10).
3. Allein- und Mitgewahrsam.
Rn 7
Die Pfändung nach § 808 setzt Alleingewahrsam des Schuldners voraus. Hat ein Dritter Mitgewahrsam, gilt § 809; die Pfändung kann also nur erfolgen, wenn der Dritte herausgabebereit ist (vgl § 70 II GVGA; § 809 Rn 5).
a) Wohnungsinhaber, Vermieter und Untermieter.
Rn 8
Der Wohnungsinhaber, gleichviel ob er Eigentümer oder Mieter ist, hat grds Alleingewahrsam an allen Sachen, die sich in der Wohnung befinden, auch wenn sie mitgemietet sind (zB bei möbliert gemietetem Zimmer). Der Vermieter, dem ein Betretungsrecht eingeräumt ist, etwa zur Pflege der in seinem Eigentum stehenden Sachen oder zur Erbringung von Dienstleistungen (zB bei Hotelzimmer), hat nicht deswegen (Mit-)Gewahrsam (MüKoZPO/Gruber Rz 14; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7; aA St/J/Würdinger Rz 15). Gewahrsam kann auch an Sachen bestehen, die sich in den Räumen eines Dritten befinden, z.B. wenn der Untermieter einen Teil seiner Sachen in anderen Räumen des U...