Gesetzestext
Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfangnahme der von dem Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Norm regelt im Zusammenwirken mit den §§ 82, 83 den Umfang der Prozessvollmacht und löst diese vom beliebig gestaltbaren Innenverhältnis zwischen der Partei und ihrem Bevollmächtigten. Sie ist – soweit § 83 nichts anderes bestimmt – im Verhältnis zu Gericht und Gegner nicht beschränkbar (BGH NJW 92, 142; BFH NJW 97, 1029, 1930 [BFH 13.06.1996 - III B 23/95]). Sie schafft durch die gesetzliche Umschreibung des Umfangs die notwendige Rechtsklarheit, die eine sachgerechte und effektive Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens erst ermöglicht. Deshalb ist § 81 zwingendes Recht (Anders/Gehle/Weber ZPO § 81 Rz 1). Ohne besondere Vereinbarungen ist davon auszugehen, dass die Befugnisse des Prozessbevollmächtigten sich auch im Innenverhältnisses an der Umschreibung in §§ 81, 82 orientieren. Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Allerdings ist für Ehesachen eine besondere Vollmacht notwendig (§ 114 V FamFG). Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG verweist § 11 V FamFG auf § 81.
B. Umfang.
Rn 2
Die Vollmacht ist grds eine umfassende Vollmacht für den Prozess als Ganzes (BGH MDR 85, 30). Sie ermächtigt deshalb zur Führung des Rechtsstreits in allen seinen Varianten und in allen Instanzen. § 81 gilt auch im Parteiprozess, allerdings ist dort eine Spezialvollmacht für bestimmt Verfahrensabschnitte oder Prozessgestaltungen möglich (§ 83 II). Der so umschriebene Umfang der Vollmacht gilt auch für den allgemein bestellten Vertreter eines Rechtsanwalts (§ 53 BRAO), auch soweit der Vertretene seinerseits als Vertreter handelt (BGH NJW 81, 1740, 1741 [BGH 11.03.1981 - VIII ZB 18/81]). Die gilt auch für die Terminsvollmacht, sie umfasst im Zweifel alle in einer mündlichen Verhandlung vorzunehmenden Prozesshandlungen (LAG Schleswig-Holstein Beschl v 30.9.19 – 5 Sa 157/19 Rz. 43).
I. Rechtsstreit.
1. Allgemeines.
Rn 3
Die Prozessvollmacht bezieht sich auf den Rechtsstreit und damit auf ein konkretes Streitverhältnis zwischen bestimmten Parteien. Dieses Prozessrechtsverhältnis ist der maßgebliche Bezugspunkt für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Prozessvollmacht. Sie ist weder auf ein bestimmtes Gericht noch auf eine bestimmte Instanz beschränkt, umfasst vielmehr alle Rechtszüge einschl der zugehörigen Kostenfestsetzungsverfahren und gilt auch nach Verweisung oder Abgabe an ein anderes Gericht, selbst wenn der Prozessbevollmächtigte dort nicht zugelassen sein sollte. Kraft seiner Vollmacht darf er dann einen Bevollmächtigten bestellen, der in einem solchen Fall Vertreter der Partei wird (BGH NJW-RR 03, 51, 52 [BGH 09.07.2002 - X ZR 70/00]; NJW 06, 2334, 2335). Sie besteht auch nach Klageänderung oder Erweiterung oder nach dem Beitritt eines Streithelfers fort. Selbst eine Parteiänderung auf Seiten des Gegners beeinflusst die Vollmacht nicht (St/J/Jacoby § 81 Rz 6, 19; MüKoZPO/Toussaint § 81 Rz 4). Die vom Nebenintervenienten des Beklagten erteilte Prozessvollmacht umfasst auch dessen Vertretung als Bekl (BGH NJW 72, 52). Nur wenn eine Klage gegen eine andere als in der Vollmacht bezeichnete Partei erhoben oder erweitert werden soll oder wenn eine andere Person an die Stelle des Vollmachtgebers tritt, bedarf es einer neuen Vollmacht (St/J/Jacoby § 81 Rz 4). Sie ermächtigt auch zur Bestellung eines Prozessbevollmächtigten für den Berufungsrechtszug (BGH NJW-RR 94, 542 [BGH 18.01.1994 - XI ZR 95/93]) bzw allgemein für höhere Instanzen (BGH Beschl v 27.7.17 – V ZR 67/17). Bei der Wiederaufnahme ist zu beachten, dass es einer neuen Beauftragung bedarf, weil das Mandatsverhältnis mit Abschluss des Prozesses idR endet (BGH NJW 60, 818; Musielak/Voit/Weth § 81 Rz 2; § 86 Rn 3). Diese Grundsätze gelten auch für die schon vor der Einleitung eines Prozesses erteilte Prozessvollmacht, wenn Gegenstand des Auftrags die bestmögliche Durchsetzung der Rechte war (BGH NJW-RR 06, 279, 280 [BGH 23.06.2005 - IX ZR 197/01]).
2. Einzelheiten.
Rn 4
Die Aufzählung der Befugnisse ist nur beispielhaft und nicht abschließend und dem Normzweck entsprechend eher weit auszulegen. Neben der Widerklage (§ 33), der Wiederaufnahme (§§ 578 ff), der Rüge nach § 321a und der Zwangsvollstreckung gehören auch zum Rechtsstreit iSd Norm: Das Kostenfestsetzungsverfahren einschließlich der Beschwerde (BVerfGE 81, 127 [BVerfG 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88]; Kobl NJW-RR 97, 1023 [OLG Koblenz 05.06.1996 - 14 W 288/96]; Hamm OLGR 05, 385, 386); die Streitwertbeschwerde (§ 68 I GKG; Stuttg Ju...