I. Anknüpfung.
Rn 4
Der Gläubiger ist aufgrund des Überweisungsbeschlusses zur Einziehung der gepfändeten Forderung befugt. Er darf gegenüber dem Drittschuldner auf Leistung an sich klagen, um gegen diesen einen Vollstreckungstitel zu erlangen. Die Begründetheit der Drittschuldnerklage setzt voraus, dass der Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner besteht, gerichtlich durchsetzbar ist und dem Gläubiger wirksam überwiesen wurde (BAG NZA 21, 657 [BAG 18.11.2020 - 7 ABR 37/19] Rz 19). Der Drittschuldner befindet sich bei der Pfändung in einer Situation, die der bei einer Abtretung ähnelt. Deswegen ähnelt der in § 836 II geregelte Gutglaubensschutz dem des Abtretungsrechts aus den §§ 407, 409 BGB (G/S/B-E § 55 Rz 43). Bei einer wirksamen Überweisung kann der Drittschuldner nur noch ggü dem Gläubiger erfüllen. Der Drittschuldner wird deswegen nach Abs 2 in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit des ihm zugestellten (BGH NJW 76, 1453, 1454) Überweisungsbeschlusses geschützt, wenn er an den Gläubiger zahlt, bevor der Drittschuldner Kenntnis von der Aufhebung der Entscheidung erlangt hat (BGH NJW 76, 1453 f [BGH 09.06.1976 - VIII ZR 19/75]; Musielak/Voit/Flockenhaus § 836 Rz 3). Geht der Drittschuldner umgekehrt davon aus, ein tatsächlich wirksamer Überweisungsbeschluss sei unwirksam oder aufgehoben, wird er nicht geschützt (G/S/B-E § 55 Rz 44).
Rn 5
Erforderlich ist die Regelung jedoch nur bei einem unwirksamen oder einem aufgehobenen Überweisungsbeschluss (die Entscheidung des BAG NJW 90, 2641, 2643 [BAG 16.05.1990 - 4 AZR 145/90], die allein auf die Aufhebung abstellt, ist insoweit überholt). Leistet der Drittschuldner auf einen fehlerhaften, aber nicht aufgehobenen Beschl, wird er bereits nach den allgemeinen Regeln befreit (MüKoZPO/Smid § 836 Rz 4).
Rn 6
Gesetzlicher Regeltatbestand ist ein fehlerhafter und damit anfechtbarer Überweisungsbeschluss, der angefochten und aufgehoben sein muss. Obwohl damit das Einziehungsrecht des Vollstreckungsgläubigers entfallen ist, darf der Drittschuldner dennoch solange mit befreiender Wirkung an den Titelgläubiger leisten, wie er keine Kenntnis von der Aufhebung erlangt hat. Seine Privilegierung entfällt bei jeglicher Kenntniserlangung, sei es durch Vorlegung der Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung, sei es durch formlose Mitteilung. Im letztgenannten Fall muss der Drittschuldner die Richtigkeit der Mitteilung prüfen (Wieczorek/Schütze/Lüke § 836 Rz 10). Ist die Zwangsvollstreckung vor der Aufhebung eingestellt, genügt die Kenntnis von der Einstellung (St/J/Würdinger § 836 Rz 3). Im Prozess muss der Kläger die Kenntnis darlegen und beweisen, im Einziehungsprozess also der Vollstreckungsgläubiger (BGH NJW 76, 1453, 1454 [BGH 09.06.1976 - VIII ZR 19/75]).
Rn 7
Wegen dieser gesetzlichen Ausgangslage hat der BGH zunächst bei einem nichtigen, weil auf einen Arrest gestützten Überweisungsbeschluss § 836 II für unanwendbar gehalten (BGHZ 121, 98, 104). Auch bei einem nichtigen Überweisungsbeschluss besteht jedoch regelmäßig ein schützenswertes Vertrauen des Drittschuldners. In einer Folgeentscheidung hat der BGH zutr auf die unwirksame Überweisung einer durch eine Buchhypothek gesicherten Forderung, deren Pfändung nicht im Grundbuch eingetragen wurde, § 836 II angewendet (BGH NJW 94, 3225, 3227 [BGH 22.09.1994 - IX ZR 165/93]).
Rn 8
Das schutzwürdige Vertrauen entfällt bei einem nichtigen Beschl, wenn der Drittschuldner die zur Unwirksamkeit führenden Tatsachen kennt und er eindeutig auf diese Folge schließen muss. Dem steht es gleich, wenn sich ihm zumindest ernsthafte Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Beschlagnahme aufdrängen mussten und er den auf der Hand liegenden Bedenken nicht nachgegangen ist (BGH NJW 94, 3225, 3226). Abzustellen ist auf den Kenntnisstand rechtlicher Laien, die keinen Rechtsrat einholen müssen (BGH NJW 94, 3225, 3227 [BGH 22.09.1994 - IX ZR 165/93]).
Rn 9
Bei der Art der maßgebenden Fehler ist zu unterscheiden. § 836 II schützt vor Verfahrensmängeln, wenn etwa eine unwirksame Pfändung zu einem unwirksamen Überweisungsbeschluss führt (BGH NJW 94, 3225, 3226). Die Regelung gilt auch bei einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung, durch die der Gläubiger seine alleinige Empfangszuständigkeit verliert (BGHZ 140, 253; St/J/Würdinger § 836 Rz 2). Der Schutz gilt auch bei einer dem Drittschuldner unbekannten Rangänderung unter den Pfändungsgläubigern (BAG NJW 90, 2641, 2643).
Rn 10
Auf Mängel in der Forderung ist § 836 II unanwendbar. Das Vertrauen in das Bestehen der Forderung ist nicht geschützt. Der Drittschuldner wird daher nicht frei, wenn der Anspruch dem Vollstreckungsschuldner nicht zugestanden hat. Bei Zweifeln über den Forderungsinhaber leistet der Drittschuldner deswegen auf eigenes Risiko (BGH NJW 88, 495 [BGH 26.05.1987 - IX ZR 201/86]; 02, 755, 757 [BGH 12.12.2001 - IV ZR 47/01]). Der Drittschuldner kann dem Gläubiger zwar keine Einwendungen gegen die der Pfändung zugrunde liegende titulierte Forderung entgegenhalten. Einwendungen und Einre...