Rn 40
Nach der Grundentscheidung des § 35 I InsO gehört das bei Insolvenzeröffnung vorhandene Vermögen sowie der während des Insolvenzverfahrens erzielte Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Vom Insolvenzbeschlag werden aber nach § 36 I 1 InsO nur die der Zwangsvollstreckung unterliegenden Gegenstände erfasst. Unpfändbares Arbeitseinkommen wäre danach nicht vom Insolvenzbeschlag erfasst. Um die einzelvollstreckungsrechtlichen Regelungen auf die Gesamtvollstreckung abzustimmen, ist eine differenzierte Verweisung erfolgt, § 36 I 2 InsO iVm den §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f I, 850g bis 850l, 851c, 851d. Für das Restschuldbefreiungsverfahren verweist § 292 I 3 InsO auf § 36 I 2 InsO.
Rn 41
Anwendbar sind die Bestimmungen, welche die Pfändbarkeit für alle Gläubiger modifizieren, wie etwa die §§ 850c, 850e Nr 2, 2a, 850f I. Anwendbar sein soll auch § 850b I Nr 1 (BGH NZI 10, 141 Rz 10 ff mAnm Asmuß; ZIP 10, 1656 Rz 41). Unschädlich ist, dass § 850c VI eine Einzelfallabwägung erfordert, weil die Abwägung durch die Verhältnisse des Unterhaltsberechtigten als Dritten und nicht durch die des antragstellenden Gläubigers bestimmt wird (BGH NJW-RR 09, 1279 [BGH 07.05.2009 - IX ZB 211/08] Rz 11; NZI 10, 141 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 14). Unanwendbar sind § 850d zur erweiterten Pfändung wegen Unterhaltsforderungen sowie § 850f II und III zur erweiterten Pfändung bei Forderungen aus vorsätzlich unerlaubten Handlungen bzw Pfändung höherer Bezüge, da sie in der Auflistung des § 36 I 2 InsO nicht angeführt werden. Insb die §§ 850d, 850f II modifizieren die Pfändbarkeit zugunsten bestimmter Gläubiger und Gläubigergruppen und lassen sich deshalb nicht in das gesamtvollstreckungsrechtliche Konzept einbinden (FK-InsO/Ahrens § 287 Rz 182).
Rn 42
Während des Insolvenzverfahrens ist eine Forderungspfändung durch Insolvenzgläubiger unzulässig, § 89 I InsO. Für künftige Forderungen aus einem Dienstverhältnis erweitert § 89 II InsO das Vollstreckungsverbot auf andere Gläubiger. Sind die Bezüge vor der Verfahrenseröffnung gepfändet, greift § 89 InsO nicht ein. Nach § 114 III InsO ist eine Pfändung jedoch höchstens für den Monat der Eröffnung und den Folgemonat wirksam (Jaeger/Eckardt § 89 InsO Rz 61). Zusätzlich gestattet § 89 II 2 InsO den Neugläubigern (nicht den Insolvenzgläubigern BGH NZI 08, 50 Rz 10; Ahrens NZI 08, 24) eine Zwangsvollstreckung wegen einer privilegierten Forderung aus den §§ 850d, 850f II in die künftigen Forderungen. Die Zwangsvollstreckung in der kritischen Zeit vor Insolvenzeröffnung ist als inkongruente Deckung gem § 131 InsO anfechtbar (stRspr BGHZ 157, 350, 353 mwN; BGH NZI 08, 563 Rz 8; FK-InsO/Dauernheim § 131 Rz 36). § 114 III InsO schließt die Anfechtbarkeit nicht aus (BGH NZI 08, 563 [BGH 26.06.2008 - IX ZR 87/07] Rz 17).