Rn 1
Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG) vom 22.11.20 (BGBl I, 2466) sind einige primär kosmetische Änderungen bei § 850f erfolgt. Die bisherigen § 850f I lit a–c werden zu § 850f I Nr 1–3. Ergänzend erfolgen in der Regelung über den erweiterten Pfändungsschutz aus § 850 f I Nr 1 zwei sachliche Korrekturen. Dabei wird die Bezugnahme auf das 11. Kap des SGB XII gestrichen, weil sich der notwendige Lebensunterhalt abschließend nach dem 3. und 4. Kap des SGB XII bestimmt. Außerdem wird klargestellt, dass die Vorschrift nur für den eigenen Lebensunterhalt des Schuldners und die Personen anwendbar ist, denen er gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Eine spezielle Regelung für die Bedarfsgemeinschaft ist nicht erfolgt (BTDrs 19/23171, 28). Abs 2 ist unverändert gelassen worden. Abs 3 wurde gestrichen. Eine mittelbare Änderung von praktisch erheblichem Gewicht ist durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) v 16.12.22 (BGBl I, 2328) erfolgt. Dadurch werden die für den Vorrechtsbereich maßgebenden Beträge des sozialrechtlichen Existenzminimums wesentlich erhöht.
Rn 1a
Eine einheitliche Aussage über die Ziele von § 850f lässt sich zunächst auf sehr allgemeinem Niveau treffen. Ausgangspunkt ist die Überlegung, wonach Pfändungsverbote allein aus Gründen des Sozialstaatsprinzips gerechtfertigt sind. Durch sie soll dem Schuldner die wirtschaftliche Existenz erhalten werden, um ein bescheidenes, der Würde des Menschen entsprechendes Leben, unabhängig von Sozialleistungen, führen zu können. Sozialleistungen sollen gerade nicht der Schuldentilgung dienen (BGH NZI 19, 941 [BGH 19.09.2019 - IX ZB 2/18] Rz 19). Darüber hinaus soll § 850f gegenüber den pauschalierten Pfändungsfreigrenzen des § 850c eine stärker an der konkreten Fallgerechtigkeit orientierte Entscheidung ermöglichen. Dabei weisen die Ziele in zwei entgegengesetzte Richtungen. Trotz der Freibeträge nach § 850c kann der Schuldner in die Situation kommen, seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht mehr aus dem pfändungsfreien Einkommen bestreiten zu können. Zu seinen Gunsten wird deswegen der Vollstreckungsschutz für das Arbeitseinkommen erweitert, wenn der notwendige Unterhalt für ihn oder die unterhaltsberechtigten Personen gefährdet ist bzw besondere Bedürfnisse bestehen (Rn 3). Umgekehrt wird zulasten des Schuldners der Pfändungsschutz bei einer Vollstreckung wegen einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung oder einem Zugriff auf ein oberhalb der Tabellenbeträge gem § 850c von monatlich EUR 4.077,72 (wöchentlich EUR 938,43, täglich EUR 187,69) liegendem Einkommen eingeschränkt.
Rn 2
Wegen der in den einzelnen Regelungen getroffenen konkreten Interessenabwägung handelt es sich bei § 850f um keine allgemeine Billigkeitsklausel. Die Vorschrift darf deswegen nicht als Einfallstor für generalisierte Billigkeits- oder gar Redlichkeitserwägungen angesehen werden. Dennoch kann sie für ein kohärentes Verständnis der Pfändungsschutzvorschriften wichtige Hinweise geben. So gewährleisten die in Abs 1 bestimmten Standards der Existenzsicherung ein allgemeingültiges vollstreckungsrechtliches Mindestniveau. Abs 2 dient auch dem Zweck, dem Schuldner ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen (BGHZ 195, 224 Rz 10). Zudem müssen die zu Abs 2 ausgeformten Leitlinien über das Verhältnis zwischen Vollstreckungs- und Erkenntnisgericht generell beachtet werden.