Rn 56
Intensiv diskutiert werden die mit einer Leistung zum Monatsende für den kommenden Monat (sog Monatsanfangsproblem; St/J/Würdinger § 850k Rz 17 spricht vom Monatsendproblem) zusammenhängenden Fragen. Zu denken ist an folgende Konstellation. Am 29.8. geht auf dem Pfändungsschutzkonto eine Zahlung von EUR 900,– ein. Am 1.9. wird das Konto gepfändet. Im Lauf des Monats verbraucht der Schuldner das Guthaben. Am 29.9. erfolgt die nächste Zahlung von EUR 900,–. Wenn jetzt ein pfändbarer Betrag dem Gläubiger überwiesen werden müsste, könnte der Schuldner im Folgemonat seinen Lebensunterhalt bis zum nächsten Zahlungseingang nicht mehr bestreiten, wovor allerdings das P-Konto gerade schützen sollte (Richter/Zimmermann ZVI 10, 359; Jäger ZVI 10, 325, 328 ff; Strunk ZVI 10, 335, 336 f; Nolte/Schumacher ZVI 11, 45, 48 ff). Vor der Gesetzesänderung wurden unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert. Erwogen wurde, den Pfändungsschutz teleologisch zu extendieren oder die Übertragungsregel aus Abs 1 S 2 bereits vor Pfändungsbeginn anzuwenden (LG Dresden ZVI 11, 253; AG Köln ZIP 11, 168, 170; Musielak/Voit/Flockenhaus § 850k Rz 2), wodurch eine Vorwegfreigabe möglich ist. Alternativ kommen Anträge nach den §§ 850k IV, 850f I bzw 765a in Betracht (zust BGH NZI 11, 717 Rz 20; außerdem LG Essen ZVI 10, 350 f; LG Oldenburg ZVI 11, 31 f; AG Ludwigshafen ZVI 10, 354; AG Esslingen ZVI 10, 481 = VIA 11, 21 mAnm Ahrens; AG Hamm ZVI 11, 382; aA LG München I ZVI 11, 180; AG Leipzig ZVI 10, 351; AG Steinfurt ZVI 11, 102).
Rn 57
Mit der Regelung in Abs 1 S 2 (eingefügt durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.11, BGBl I, 615; BTDrs 17/4776), die auf nicht abgeschlossene Sachverhalte beim Inkrafttreten anwendbar ist (BGH NZI 11, 717 [BGH 28.07.2011 - VII ZB 92/10] Rz 16 ff; NJW-RR 11, 1433 [BGH 14.07.2011 - VII ZB 85/10] Rz 15 ff; NZI 15, 230 [BGH 04.12.2014 - IX ZR 115/14] Rz 8) wird der Pfändungsschutz für das Kontoguthaben erweitert. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit der ebenfalls neuen Regelung in § 835 IV zu lesen. Im Verhältnis zwischen Drittschuldner und Vollstreckungsgläubiger ordnet § 835 IV eine verlängerte Auszahlungssperre an.
Rn 58
Abs 1 S 2 regelt das Verhältnis zwischen Schuldner und Drittschuldner. Die Vorschrift verlängert den Pfändungsschutz und harmonisiert die Verfügungsmöglichkeiten des Schuldners mit der Auszahlungssperre (§ 835 Rn 37 ff). Das gem Abs 1 S 2 iVm § 835 IV gesperrte Guthaben gehört zum Guthaben nach Abs 1 S 1, über das der Schuldner in Höhe seines Freibetrags verfügen darf (BGH NZI 15, 230 Rz 7). Dadurch ermöglicht die Regelung dem Schuldner, bis zum Ende des Folgemonats über das unpfändbare Guthaben zu verfügen (Ahrens NZI 11, 183, 184). Infolgedessen kann das Guthaben, das gem § 835 IV erst nach Ablauf des auf den Zahlungseingang folgenden Monats an den Gläubiger geleistet werden darf, unter den Voraussetzungen Abs 1 S 3 in den hierauf folgenden Monat, somit in den übernächsten Monat nach dem Zahlungseingang, übertragen werden. Es erhöht dann in diesem Monat den Pfändungsfreibetrag (BGH NZI 15, 230 Rz 9; Richter VIA 15, 25; Homann DGVZ 15, 45, 49; Saager ZVI 15, 317, 319; Gottwald/Mock § 835 Rz 31). Die Herkunft des Guthabens ist unerheblich (St/J/Würdinger § 850k Rz 17). Nicht erforderlich ist, dass der Freibetrag im Zuflussmonat ausgeschöpft wird (LG Saarbrücken VUR 19, 195). Wird bis dahin nicht über das Guthaben verfügt, unterliegt das über den pfändungsfreien übertragbaren Betrag hinausgehende Guthaben der Pfändung. Verfügungen sind dabei nach dem Grundsatz des first in first out zunächst auf das übertragene Restguthaben aus dem Vormonat und erst danach auf den neuen Sockelbetrag des aktuellen Monats anzurechnen (BGH NJW-RR 18, 315 [BGH 19.10.2017 - IX ZR 3/17] Rz 14). Die Höhe des geschützten Betrags ist nach den Abs 1–4 zu berechnen (BTDrs 17/4776, S 8). Sie ist nach dem Grundfreibetrag aus Abs 1, dem in Abs 2 normierten Aufstockungsbetrag oder dem nach den Abs 3 und 4 vom Vollstreckungsgericht abw festgesetzten Betrag zu bestimmen. Ergeben sich bei den Berechnungsgrundlagen Änderungen und weicht deswegen der unpfändbare Betrag im Folgemonat von dem im Ausgangsmonat ab, muss das Kreditinstitut die Veränderung nach den allgemeinen für das Pfändungsschutzkonto geltenden Bestimmungen beachten.
Rn 59
Die Regelung gilt nach Abs 1 S 4 entspr, wenn ein gepfändetes Girokonto vor Ablauf von vier Wochen in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt wird. Das Recht, nach Abs 1 S 3 ein nicht verbrauchtes unpfändbares Guthaben auf den Folgemonat zu übertragen, bleibt unberührt.