Rn 114
Der Schuldner kann nach Abs 5 S 1 über das pfändungsfreie Guthaben iRd vertraglichen Vereinbarungen verfügen. Kontoverfügungen umfassen die Barauszahlung, die Ausführung eines Überweisungsauftrags, die Scheckeinlösung, eine Lastschrift und den Einsatz einer Bank- oder Kreditkarte, der zur Belastung des Kontos führt (BGH ZInsO 17, 2746 Rz 21). Das Verfügungsrecht erstreckt sich auf den Grundfreibetrag gem Abs 1 S 1, die Aufstockungsbeträge gem Abs 2 und ist ggf gem Abs 3 und Abs 4 zu korrigieren. Ist der pfändungsfreie Betrag unbestimmt geblieben, muss das Kreditinstitut den Verfügungsrahmen des Schuldners taggenau berechnen (vgl BGH NJW 18, 555 [BGH 11.10.2017 - VII ZB 53/14] Rz 19 ff). Dies folgt aus der Verpflichtung zur taggleichen Wertstellung und Verfügbarkeit von Zahlungsbeträgen auf einem Zahlungskonto gem § 675t I 1, 2 BGB. Der Schuldner darf seine Verfügungen iRd bankrechtlich Zulässigen ändern, widerrufen und wiederholen. Die Freiheit zu abweichenden vertraglichen Vereinbarungen wird durch die gesetzlichen Aufrechnungsschranken limitiert. Gemäß Abs 5 S 5 gelten die Sätze 2–4 auch für eine Hinterlegung. Kontovollmachten sind zulässig (Bitter ZIP 11, 149, 151).
Rn 115
Maßgebender Umstand für die Verfügung ist die Vornahme der Leistungshandlung, nicht der Erfolgseintritt. Wenn der Schuldner am 30.6. einen Betrag von seinem Konto abhebt oder überweist, der Betrag aber erst am 1.7. von der Bank im Kontokorrent verrechnet wird, hat er noch im Juni verfügt. Verzögert das Kreditinstitut die Auszahlung, ist eine einstweilige Verfügung zulässig, wenn der Schuldner auf das Geld angewiesen ist (Rn 89). Erfolgt keine Verfügung, sei es, weil das Kreditinstitut die Verfügung wegen eines defekten Geldautomaten nicht ermöglicht, sei es, weil das Institut eine Abhebung unberechtigt ablehnt, bleibt das Guthaben bestehen und ist ggf in den Folgemonat übertragen, wo es dem Pfändungsbeschlag unterliegen kann. Von diesen vollstreckungsrechtlichen Konsequenzen sind die bankrechtlichen (Haftungs-)Fragen zu unterscheiden. Hat der Schuldner einen Zahlungsvorgang iSd § 675 f IV 1 BGB ausgelöst, ist der Zahlungsdienstleister zur Ausführung verpflichtet. Wird eine (Bar-)Abhebung unberechtigt verweigert und ist deswegen eine Pfändung erfolgreich, muss der Betrag dem Pfändungsschutzkonto wieder gutgeschrieben werden. Unerheblich ist, wann das Kreditinstitut die Buchung vornimmt (Ahrens NJW-Spezial 18, 85, 86; Hippeli DZWIR 18, 51, 54; aA BGH ZInsO 17, 2746 Rz 21).
Rn 116
Der Zeitpunkt der Verfügung durch den Schuldner wird insb zum Monatsende wichtig, wenn zu entscheiden ist, ob der Schuldner zuvor über sein Guthaben verfügt hat oder es in den Folgemonat übertragen und damit ggf beschlagnahmt ist. Letztlich geht es um die Frage, bis wann die Verfügung des Schuldners erfolgen muss, also ob der Kontopfändungsschutz effektiv bis zum Monatsende wirkt oder ob er durch die bankrechtlichen Verhältnisse verkürzt wird. Im Grundsatz ist dafür entscheidend, wann der Zahlungsauftrag dem Kreditinstitut zugeht, wofür nach § 675n I 2 BGB auf den Geschäftstag des kontoführenden Kreditinstituts abzustellen ist (zum Folgenden Ahrens EWiR 17, 741; ders NJW-Spezial 18, 85). § 675n I 2 BGB schließt den Zugang eines Zahlungsauftrags an einem Tag, der kein Geschäftstag ist, nicht aus. Geschäftstag ist der volle Kalendertag (BGH NJW 19, 2469). Zu berücksichtigen ist dafür der für die konkrete Verfügung erforderliche Geschäftsbetrieb, bei einer persönlichen Disposition die Geschäftszeiten der betreffenden Filiale und bei einem automatisierten Zahlungsvorgang der Rechnerbetrieb (BGHZ 216, 184 Tz 23 ff). Allerdings kann das Kreditinstitut gem § 675n I 3 BGB eine Annahmeschlusszeit (Cut-off-Zeitpunkt) nahe am Ende eines Geschäftstags festlegen (vgl MüKoBGB/Jungmann, § 675n Rz 43). Auch als einseitige Festsetzung unterliegt sie der AGB-Kontrolle (vgl BGHZ 187, 86; BGH NZI 15, 858).
Rn 117
Die Einzelheiten hängen von der Art der Verfügung ab. Bargeldabhebungen an einem Automaten des kontoführenden Kreditinstituts erfolgen im Rahmen eines automatisierten Geschäftsbetriebs. Deswegen kommt es insoweit nicht auf die Geschäfts- bzw Öffnungszeiten der Filiale an. Abzustellen ist auf den Kalendertag, dh den Monatsletzten. Unerheblich ist der Wochentag, also ob es sich um einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag handelt (BGHZ 216, 184 Tz 24). Dies gilt grds auch, wenn der Schuldner Geld an einem institutsfremden Automaten abhebt. Aufgrund der automatisierten Autorisierung werden die Gültigkeit der Debitkarte sowie die PIN von der EDV des kontoführenden und kartenausgebenden Kreditinstituts geprüft, von dem auch die Anweisung zur Auszahlung erfolgt (Ahrens NJW-Spezial 18, 85; SBL/Maihold, Bankrechts-Handbuch, § 54 Rz 40). Zugleich geht damit der Zahlungsauftrag dem kontoführenden Kreditinstitut während des Geschäftsbetriebs zu. Etwas anderes kann ausnahmsweise (Hippeli DZWIR 18, 51, 52, regelmäßig) gelten, wenn der Zahlungsauftrag dem kontoführenden Kreditinstitut ...