1. Antrag.
Rn 16
Die Unpfändbarkeit nach § 850l setzt einen Schuldnerantrag voraus. Der Vollstreckungsschutzantrag ist beim zuständigen Vollstreckungsgericht zu stellen. Der Antrag ist ab Pfändung zulässig. Das Kreditinstitut ist nicht antragsberechtigt (Weber/Wellmann/Zimmermann ZVI 11, 241, 242). Eine bankrechtliche Verpflichtung des Schuldners, einen Antrag nach § 850l zu stellen, besteht nicht (aA Bitter FS Köndgen, 83, 107). Im Antrag müssen das Konto und der Pfändungsbeschluss identifizierbar bezeichnet werden. Es genügen geringere Anforderungen als im Pfändungsbeschluss. Als Prozesshandlung muss der Antrag so ausgelegt werden, wie dies vernünftig ist sowie der recht verstandenen Interessenlage des Antragsstellers entspricht (vgl BGHZ 149, 298, 310). Ein nicht befristeter Antrag ist auf die Höchstfrist von 12 Monaten gerichtet.
Rn 17
Bei mehreren Pfändungen muss grds gegen jeden Pfändungsbeschluss ein Aufhebungs- bzw Freistellungsantrag gestellt werden, doch kann sich der Antrag auf mehrere Verfahren beziehen. Wie bei einer Schutzschrift darf sich der Antrag nach Nr 2 auch auf zukünftige Pfändungen beziehen.
Rn 18
Ein Wiederholungsantrag ist ggf auch mehrmals zulässig (Weber/Wellmann/Zimmermann ZVI 11, 241, 243). Die Schutzwirkung ist nicht mit einmaliger Geltendmachung verbraucht, stellt doch die Sicherung des Lebensunterhalts eine fortlaufende staatliche Aufgabe dar. Die Höchstfrist von 12 Monaten berücksichtigt die Unwägbarkeiten zukünftiger Entwicklungen und bezieht die Interessen des Gläubigers ein. Wenn aber nach Ablauf auch der Jahresfrist die Voraussetzungen weiter erfüllt sind, muss einem erneuten Antrag stattgegeben werden. Der Antrag kann zum Ende der laufenden Schutzfrist gestellt werden, damit die Wirkungen lückenlos bestehen (Hohmann ZVI 13, 6, 10). Im Rahmen der abzuwägenden Gläubigerinteressen kann die Dauer der Schutzmaßnahme berücksichtigt werden.
2. Anschließendes Verfahren.
Rn 19
Auf den Antrag des Schuldners ist dem Gläubiger, nicht dem Drittschuldner, rechtliches Gehör, Art 103 I GG, zu gewähren. Es sind alle Gläubiger zu hören. Eine mündliche Verhandlung ist nicht vorgeschrieben, § 128 IV. Der Gläubiger muss das Vorbringen des Schuldners nicht bestreiten, doch können substanziierte Einwände die Beweisführung erschüttern. Im Übrigen hat jede Seite die für sie günstigen Umstände darzulegen und ggf zu beweisen. Stellt der Gläubiger einen Antrag nach den §§ 850c IV, 850d, 850f II, muss dieser iRd Gläubigerbelange berücksichtigt werden.
3. Entscheidung.
a) Interessenabwägung.
Rn 20
Die Entscheidung ist in das pflichtgemäße Ermessen des Vollstreckungsgerichts gestellt. Dabei hat es eine zweistufige Prüfung durchzuführen. Zunächst muss das Vollstreckungsgericht feststellen, ob hinreichende Gründe existieren, um den Schuldner vor einer Pfändung zu schützen. Anschließend ist abzuwägen, ob überwiegende Belange des Gläubigers einer solchen Entscheidung entgegenstehen.
Rn 21
Die Anordnung nach S 1 ist in erster Linie zu treffen, um die Existenzgrundlage des Schuldners zu schützen und unnötige Belastungen durch Pfändungen zu verhindern. Sinnvoll ist sie va, wenn die pfändungsfreien Beträge oder die Einkommensquellen häufig wechseln und dadurch fortwährende Auseinandersetzungen insb über den Aufstockungsbetrag zu erwarten sind. Droht die Frist aus § 835 III 2, IV abzulaufen, kann das Konto vorübergehend von Pfändungen freigestellt werden.
Rn 22
Kommt danach eine Aufhebung der Pfändung oder Freistellung des Kontos von Pfändungen in Betracht, sind iRe umfassenden Abwägung, unter Einbeziehung aller zwangsvollstreckungsrechtlich beachtlichen Umstände des Einzelfalls, die Interessen des Schuldners mit den Belangen des Gläubigers zu vergleichen. Sachlich stimmt das Regelungsprogramm von § 850l 2, wonach die Anordnung nur bei überwiegenden Belangen des Gläubigers versagt werden darf, mit § 850f I letzter Hs überein (vgl § 850f Rn 30 ff). Hier wie dort muss va die Sicherung der Lebensgrundlage für den Schuldner ggü den Interessen des Gläubigers differenziert abgewogen werden. Das höchste Gewicht besitzt dabei die Sicherung des notwendigen Unterhalts für den Schuldner. Es folgen der notwendige Unterhalt der gesetzlich Unterhaltsberechtigten, der besondere Umfang der Unterhaltslasten, der notwendige Unterhalt anderer unterhaltsberechtigter Personen und schließlich die sonstigen besonderen Bedürfnisse des Schuldners.
Rn 23
Bei überwiegenden Belangen des Gläubigers, S 2, kann – nicht muss – die Anordnung versagt werden. Aufseiten des Gläubigers ist va zu berücksichtigen, inwieweit er auf die Vollstreckung angewiesen ist, um selbst nicht Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Einzubeziehen ist außerdem seine sonstige wirtschaftliche und persönliche Situation, wie etwa seine Unterhaltslasten, sowie die Aussicht, überhaupt für seine Titelforderung Befriedigung erlangen zu können. Im Unterschied zu § 850f I ist auch die Art der zu vollstreckenden Forderung zu beachten, etwa wenn Anträge nach den §§ 850d, 850f gestellt sind. Mehrere Einkünfte des Schuldners sind zusammenzurechnen (Rn 24)...