I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Vom personellen Anwendungsbereich wird der Landwirt geschützt. Landwirt ist, wer haupt- oder nebenberuflich eine Landwirtschaft betreibt (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz § 851a Rz 1). Der Begriff entspricht dem aus § 811 Nr 4 (§ 811 Rn 22). Zur Landwirtschaft gehören die der Urerzeugung dienenden Betriebe der Bodenbewirtschaftung oder Bodennutzung durch Tierhaltung, also Acker-, Obst- und Weinbau, Vieh-, Geflügel- und Fischzucht, Binnenfischerei, Imkerei, Gärtnerei, Forstwirtschaft und Baumschulen (BGHZ 24, 169, 171). Der Landwirt muss den Beruf selbständig ausüben und das Unternehmerrisiko tragen. Geschützt ist auch der Genosse einer landwirtschaftlichen Genossenschaft. Unerheblich ist, ob der Landwirt einen eigenen oder einen gepachteten Betrieb bewirtschaftet.
Rn 3
Vom sachlichen Anwendungsbereich werden Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse erfasst. Der Begriff der Erzeugnisse entspricht dem in § 811 Nr 4. Dies schließt Kaufgeldforderungen aus der Veräußerung von Obst, Gemüse, Getreide, Vieh und Geflügel ein. Dazu gehören auch das Milchgeld (LG Bonn DGVZ 83, 153) und die Bullenprämie (LG Koblenz JurBüro 03, 382, 383). Soweit staatliche Subventionen erwerbswirtschaftliche Einnahmen ersetzen und den Kaufpreis ergänzen oder an dessen Stelle treten, sind sie nach der Funktion von § 851a dem Pfändungsschutz unterstellt (BGH NJW-RR 09, 411 [BGH 23.10.2008 - VII ZB 92/07] Rz 16). Auf den Anspruch auf Auszahlung einer Ausgleichszahlung in benachteiligten Gebieten ist § 851a I nicht entspr anwendbar (BGH JurBüro 12, 494). Anders als nach § 851b I 2 sind Barmittel und Guthaben aus den Verkäufen nicht geschützt (St/J/Würdinger § 851a Rz 1).
II. Geschützte Ausgaben.
Rn 4
Beim Schutz des Unterhalts für den Schuldner und seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen steht § 851a I in Konkurrenz mit der weitergehenden Regelung aus § 850i, die höhere Pfändungsgrenzen begründet. § 850i I verdrängt – nur – insoweit § 851a I, denn es ist nicht gerechtfertigt, den Landwirt ggü allen anderen Selbständigen schlechter zu stellen. Sonst wäre die Zwecksetzung von § 851a in ihr Gegenteil verkehrt, die gerade darauf abzielt, den Schutz des Landwirts zu verbessern. Eigenständige Bedeutung besitzt die Unterhaltsbemessung nach Abs 1 nur noch iRv Abs 2.
Rn 5
Die zum Unterhalt des Schuldners, seiner Familie und seiner Arbeitnehmer oder zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wirtschaftsführung unentbehrlichen Beträge sind dem Schuldner zu belassen. Unentbehrlich sind die Mittel, wenn der Bedarf nicht auf andere Weise gedeckt werden kann (Zö/Herget § 851a Rz 5). Die enge Formulierung des unentbehrlichen Unterhalts belegt, dass dem Schuldner und seiner Familie nicht ein an die Tabellensätze aus § 850c angelehnter angemessener Unterhalt, sondern eine dem notwendigen Unterhalt aus den §§ 850d, 850f I entspr Summe verbleiben soll (vgl Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz § 851a Rz 5). Mit Familie sind die unterhaltsberechtigten Personen iSv § 850c gemeint. Sie müssen nicht mit dem Schuldner zusammenwohnen (aA Anders/Gehle/Nober ZPO § 851a Rz 2).
Rn 6
Geschützt ist auch die Vergütung der Arbeitnehmer für den unentbehrlichen Personalstamm in der nach den konkreten Arbeitsverhältnissen unabänderlichen Höhe. Dieser Regelungsbereich bleibt von § 850i unberührt. Unentbehrliche Mittel zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wirtschaftsführung umfassen die Anschaffung von Saatgut, Zuchttieren, Futter- und Düngemittel, aber auch notwendige Löhne, Instandhaltungen, Pachten, Steuern, Schuldendienste und Heizungskosten. Die Unentbehrlichkeit kann auch erst bei einer nachrangigen Pfändung eintreten, so dass der nachpfändende Gläubiger erfolglos bleibt (vgl LG Bonn DGVZ 83, 153). Sinnvolle und nützliche Investitionen sind noch nicht unentbehrlich (HK-ZV/Meller-Hannich § 851a Rz 6).
III. Rechtsfolgen.
Rn 7
Die Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind grds uneingeschränkt pfändbar. Erst auf den Schutzantrag des Schuldners oder nach Abs 2 sind die Forderungen für unpfändbar zu erklären. Das Gericht muss eine gesetzlich gebundene und keine Billigkeitsentscheidung unter Abwägung mit den Gläubigerinteressen treffen. Dennoch kann der Schutzantrag abgelehnt werden, wenn gerade wegen einer Forderung vollstreckt wird, deren Erfüllung § 851a ermöglichen soll, etwa wegen Futtermittelkosten oder Arbeitslöhnen (St/J/Würdinger § 851a Rz 4). Ggf ist nur ein Teil der Forderungen für unpfändbar zu erklären (›insoweit‹). Durch die Aufhebung der Pfändung wird die Forderung beschlagsfrei.