Rn 7
Abs 2 regelt den Sonderfall der Kündigung (Niederlegung) des Mandats (eine Kündigung der Vollmacht durch ihn scheidet aus, § 168 S 1 BGB; BGH NJW 65, 1019, 1020 [BGH 05.02.1965 - V ZB 12/64]) durch den Prozessbevollmächtigten. Dieser kann auch nach einer Kündigung noch für den Vollmachtgeber handeln, wenn nach Abs 1 die Vollmacht aufgrund wirksamer Anzeige erloschen wäre. Der Streit, ob Abs 2 eine Ausnahme zu Abs 1 darstellt (so Zö/Althammer § 87 Rz 6; Anders/Gehle/Weber ZPO § 87 Rz 7), eine neben Abs 1 stehende gesetzliche Vertretungsmacht einräumt (so St/J/Jacoby § 87 Rz 15) oder eine Ergänzung zu Abs 1 darstellt (MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 13), ist für die praktische Anwendung ohne Bedeutung (Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 8). Die Erweiterung der Handlungsbefugnisse gilt im Außenverhältnis und nicht lediglich im Innenverhältnis (St/J/Jacoby § 87 Rz 18; aA wohl MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 13). Bedeutsam ist die Vorschrift nur im Parteiprozess (aA wohl MüKoZPO/Toussaint § 87 Rz 13), denn im Anwaltsprozess ist bereits in anderer Weise für die Wahrnehmung der Rechte gesorgt, da die Prozessvollmacht im Außenverhältnis erst mit der Bestellung eines neuen Anwalts nach Abs 1 erlischt (Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 8), sodass sich die Fortgeltung schon aus Abs 1 ergibt. Die Anwendung von Abs 2 ist nicht auf die Kündigung beschränkt, Sinn und Zweck erfordern die Anwendung dieser Grundsätze auch im Falle einer einvernehmlichen Aufhebung des ›Vollmachtsvertrags‹.
Rn 8
Diese Befugnis endet im Parteiprozess, wenn sich ein neuer postulationsfähiger Bevollmächtigter bestellt hat oder wenn die Partei in die Lage versetzt wurde, selbst zu handeln. Wann Letzteres anzunehmen sein wird, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls und dürfte jedenfalls voraussetzen, dass eine effektive Wahrnehmung der Interessen durch die Partei gesichert ist.
Rn 9
Bis zu diesem Zeitpunkt bestimmt sich der Umfang der sich daraus ergebenden Befugnisse nach §§ 81, 82 und berechtigt in diesem Rahmen auch zur Vornahme von Rechtsgeschäften (Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 10) und zur Einreichung einer Rechtsmittelbegründung (BGH NJW 95, 327). Eine Verpflichtung zum Tätigwerden wird durch Abs 2 nicht begründet (BGH NJW 65, 1019, 1020; Bremen NJW-RR 86, 358, 359; allgM), diese kann sich aber aus dem materiellen Recht ergeben und zur Abwendung der Haftung nach § 671 BGB geboten sein. Zustellungen und Ladungen können ordnungsgemäß an ihn vorgenommen werden (BGH NJW-RR 94, 759, 760). Der ehemals Bevollmächtigte kann sich aber im Parteiprozess grds frei entscheiden, ob er eine Zustellung entgegennehmen will, weshalb das Gericht stattdessen unmittelbar an die Partei zustellen kann, denn eine (prozessuale) Verpflichtung zum Handeln besteht nicht (BGH NJW 08, 234; Bremen NJW-RR 86, 358, 359; Zö/Althammer § 87 Rz 6; St/J/Jacoby § 87 Rz 17, 19; vgl auch BGH NJW 65, 1019, 1020 [BGH 05.02.1965 - V ZB 12/64]). Entschließt er sich zum Tätigwerden, treffen ihn die gleichen Pflichten wie beim Bestehen einer Prozessvollmacht und er muss die Partei von Zustellungen unterrichten (BGH NJW 80, 999 [BGH 14.12.1979 - V ZR 146/78]; St/J/Jacoby § 87 Rz 19). Dies gilt auch für die Zustellung eines Versäumnisurteils (BGH NJW 07, 2124, 2125 [BGH 25.04.2007 - XII ZR 58/06]) oder des die Instanz abschließenden Urteils, denn die Vorschrift gilt nicht nur für Handlungen, die der Partei günstig sind (hM BGH NJW 08, 234; Zö/Althammer § 87 Rz 6; Musielak/Voit/Weth § 87 Rz 10; aA Hamm NJW 82, 1887 [OLG Hamm 25.05.1982 - 1 WF 150/82]; Köln Rpfleger 92, 242). Mit der Niederlegung des Mandats ist der Anwalt unbeschadet der Regelung in Abs 2 nicht mehr Vertreter der Partei iSv § 85 (BGH NJW 08, 234).