I. Vertretung durch einen Anwalt.
Rn 3
Bei einer Vertretung durch einen Anwalt findet in allen Verfahren sowohl im Anwaltsprozess als auch im Parteiprozess eine Prüfung der Vollmacht – auch der Untervollmacht (BGH NJW-RR 92, 933 [BGH 24.02.1992 - II ZR 89/91]) – nur auf Rüge statt. Dies gilt auch für Verfahren oder Verfahrensabschnitte, für die kein Anwaltszwang gilt (Zwangsvollstreckung, Kostenfestsetzung, Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter; OLG Köln OLGR 92, 96) und für selbstständige Verfahren außerhalb des eigentlichen Hauptsacheverfahrens (PKH, einstweiliger Rechtsschutz usw; Zö/Althammer § 88 Rz 2; Musielak/Voit/Weth § 88 Rz 6). In Ehe-, Familien- und Kindschaftssachen gilt das Rügeerfordernis ebenfalls (Frankf FamRZ 79, 323). Rügeberechtigt ist der Gegner, die Partei selbst (BGH NJW 07, 3640, 3644 [BGH 30.05.2007 - XII ZB 82/06]) oder ihr Vertreter (Köln NJW-RR 92, 1162 [OLG Köln 08.04.1992 - 2 U 90/91]). Ohne Rüge ist dem Gericht grds eine Prüfung untersagt. Ausnahmsweise soll aber eine Amtsprüfung bei begründeten Zweifeln möglich sein (BGH NJW 01, 2095, 2096; BFH NJW 01, 2912; BSG Beschl v 12.2.20 – B 4 AS 8/20 B Rz 4), so bei einer offenbar interessenwidrigen Prozessführung (BFH NJW 97, 1029, 1030) oder wenn der Prozessbevollmächtigte selbst ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit seiner Bevollmächtigung weckt (BGH NJW 01, 2095, 2096 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 309/00]), die Art und Weise der Prozessführung Berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Bevollmächtigung gibt (BVerwG Urt v 27.6.11 – 8 A 1/10 Rz 16 mit der Begründung, ohne die Rüge entfällt lediglich die Pflicht, aber nicht die Befugnis zur Prüfung). Macht sich die Partei die Vollmachtsrüge des Gegners zu Eigen, soll dies das Gericht binden und eine Prüfung vAw entbehrlich sein (Zweibr NJW-RR 01, 359, 360 [OLG Zweibrücken 31.03.1999 - 1 U 10/98]). Ergibt die Prüfung die Wirksamkeit der Vollmacht, kann dies durch Zwischenurteil nach § 280 festgestellt werden (BGH NJW 11, 1739, 1740 [BGH 19.01.2011 - XII ZB 326/10]).
II. Vertretung durch einen Nichtanwalt.
Rn 4
Eine analoge Anwendung von Abs. 1 auf Nichtanwälte ist wegen des auf der Stellung von Rechtsanwälten als Organe der Rechtspflege beruhenden Ausnahmecharakters nicht möglich (BGH MDR 22, 121 [BGH 29.09.2021 - VII ZB 25/20], Rz 17 f). Deshalb ist bei sonstigen Prozessbevollmächtigten vAw zu prüfen, ob eine ordnungsgemäße Vollmacht vorliegt. Eine Vollmachtsrüge stellt eine Anregung zur Amtsprüfung dar. Auf die Prüfung darf auch im Einverständnis mit dem Gegner nicht verzichtet werden (St/J/Jacoby § 88 Rz 7; MüKoZPO/Toussaint § 88 Rz 7). Dies gilt auch für Inkassounternehmen und Kreditdienstleistungsinstitute (§ 2 II Kreditzweitmarktgesetz), denn mit deren Erwähnung in § 79 II Nr 4 ist noch keine Gleichstellung mit Rechtsanwälten iSv § 88 II verbunden (BGH WM 21, 2203 Rz 16; 22, 1341 Rz 15). Das Gericht hat den Prozessbevollmächtigten zur Vorlage der Vollmachtsurkunde aufzufordern (§ 80), denn nur so kann der Bestand der Vollmacht ordnungsgemäß geprüft werden (BGH WM 21, 2203 Rz 15; MüKoZPO/Toussaint § 88 Rz 8; Musielak/Voit/Weth § 88 Rz 7; aA St/J/Jacoby § 88 Rz 6). Das Rechtsmittelgericht hat auch die ordnungsgemäße Vollmacht des Vertreters in der Vorinstanz zu prüfen (BGH NJW 01, 2095, 2096 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 309/00]; St/J/Jacoby § 88 Rz 8a; Anders/Gehle/Weber ZPO § 88 Rz 9).