Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
Befindet sich eine herauszugebende Sache im Gewahrsam eines Dritten, so ist dem Gläubiger auf dessen Antrag der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der Sache nach den Vorschriften zu überweisen, welche die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung betreffen.
A. Normzweck und Regelungsgehalt.
Rn 1
§ 886 räumt einerseits dem Gläubiger die Möglichkeit ein, die aufgrund des Titels herauszugebende Sache auch von einem Dritten herauszuverlangen und die Herausgabe ggf zwangsweise durchzusetzen. Andererseits schützt § 886 den Gewahrsam des Dritten iRd Zwangsvollstreckung, wenn kein Titel gegen ihn selbst vorliegt.
B. Anwendungsbereich, Voraussetzungen und Verfahren.
Rn 2
Der Anwendungsbereich des § 886 erstreckt sich auf die Zwangsvollstreckung wegen Ansprüchen auf Herausgabe sowohl beweglicher (vgl §§ 883, 884) als auch unbeweglicher (vgl § 885) Sachen. Die Norm greift nicht ein, wenn sich der herauszugebende Gegenstand im Gewahrsam eines zur Herausgabe bereiten Dritten befindet. Dann vollstreckt der GV durch Übernahme der Sache vom Dritten und Übergabe an den Gläubiger nach §§ 883, 885. Verweigert der Dritte aber die Herausgabe, deckt der Herausgabetitel des Gläubigers nur die Vollstreckung gegen den Schuldner, nicht auch gegen einen Dritten. Gem § 886 muss der Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten deshalb gepfändet und nach §§ 829, 835 an den Gläubiger zur Einziehung überwiesen werden.
Rn 3
Die Vollstreckung setzt voraus, dass der nicht zur Herausgabe bereite Dritte Allein- oder Mitgewahrsam an der betreffenden Sache hat (St/J/Bartels Rz 1). Er darf nicht lediglich Besitzdiener iSd § 855 BGB oder Erbschaftsbesitzer iSd § 857 BGB sein. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob der Anspruch auf Verschaffung, Überlassung oder Räumung lautet. Wenn etwa der Verfügungsbeklagte wegen einer Weitervermietung selbst zur Herausgabe nicht in der Lage ist, richtet sich der Anspruch auf Verschaffung des mittelbaren Besitzes (§ 870 BGB) und wird nach § 886 dadurch vollstreckt, dass der Gläubiger den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe pfänden und sich überweisen lassen kann (Celle 12.10.07 – 2 U 152/07, Rz 3; LG Mannheim 14.10.20 – 4 S 47/20, Rz 25). Auch ein betagter, bedingter oder künftiger Anspruch des Vollstreckungsschuldners gegen den Dritten ist pfänd- und überweisbar iSd §§ 886, 829, 835, sofern Anspruch und Person des Drittschuldners bestimmbar sind (BGH NJW 70, 242). Die Norm gilt analog, wenn sich die Vollstreckung auf einen Titel bezieht, der auf die Übertragung von Wertpapieren gerichtet ist, die sich in Sammelverwahrung befinden (BGHZ 160, 121). Liegen die Voraussetzungen vor, hat der Dritte die Sache nicht etwa an den GV oder einen Sequester, sondern an den Gläubiger selbst herauszugeben. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu den von §§ 846–848 erfassten Fällen, in denen der Gläubiger die Sache zur Befriedigung seiner Geldforderung herausverlangt (vgl BGH NJW 04, 3342 [BGH 16.07.2004 - IXa ZB 24/04]).
Rn 4
Sofern der Dritte auch nach Pfändung und Überweisung iSd § 886 die Herausgabe verweigert, muss der Gläubiger seinen auf die Überweisung gestützten Anspruch gegen den Dritten einklagen und diesen Titel notfalls nach §§ 883–885 vollstrecken (ThoPu/Seiler Rz 2). Eine gleichwohl erfolgte Wegnahme der Sache durch den GV stellt aber keine verbotene Eigenmacht dar und erlaubt dem Dritten damit nicht, gegen den Gläubiger gem § 861 BGB vorzugehen (Celle DGVZ 99, 75).
Rn 5
Pfändung und Überweisung zur Einziehung fallen auf schriftlichen oder zu Protokoll gestellten Antrag in den Zuständigkeitsbereich des Vollstreckungsgerichts und dort in die Zuständigkeit des Rechtspflegers gem § 20 I Nr 17 RpflG. Beschreitet der Gläubiger den Weg über § 886, scheiden Zwangsmittel gegen den Schuldner aus (Köln DGVZ 83, 74).
C. Rechtsbehelfe.
Rn 6
Während der Schuldner gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mit der Erinnerung gem § 766 vorgehen muss, kann sich der Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde nach § 793 gegen die Ablehnung seines Antrags wenden.
D. Kosten/Gebühren.
Rn 7
Für Pfändung und Überweisung nach § 886 fällt die Gerichtsgebühr nach Nr 2111 KV GKG an. Eine Vorauszahlungspflicht ergibt sich aus § 12 VI GKG. Bei Herausgabebereitschaft des Dritten entstehen dieselben Geb des GV wie in Fällen der Vollstreckung nach §§ 883–885.
Rn 8
Der RA erhält für seine Tätigkeit eine 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr 3309 VV RVG. Der Antrag stellt keine besondere Angelegenheit dar. § 25 I Nr 2 RVG bestimmt den Gegenstandswert.
Rn 9
Bei denjenigen Kosten, die dem Gläubiger durch das Vorgehen gegen den Dritten nach § 886 entstehen, handelt es sich um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung iSd § 788. Anders verhält es sich, wenn der Dritte von Beginn an herausgabebereit war und den Gläubigeranspruch im Einziehungsprozess sofort anerkannt hat (Gottwald/Mock/Mock Rz 8).